Wäre auch Dagobert Duck, in seinem Kosmos weltweit der einzige Trillionär, unter die Räder von Finanzkrisen gekommen? Mitnichten! Aus lauter Angst, dass die Banken pleite machen und sein ganzes Erspartes weg ist, hat er das Horten von Geld zu seinem Lebensprinzip gemacht. In seinem Geldspeicher hat er „drei Kubikhektar Geld“ angelegt, die er gegen zwei Gegner verteidigen muss: die maskierten Wiederholungstäter der Panzerknackerbande, die seit November 1951 seine über Entenhausen thronende riesige Schatztruhe belagern, und die Berufshexe Gundel Gaukeley, die es vor allem auf Dagoberts ersten selbstverdienten Zehner abgesehen hat, den er wie seinen Augapfel hütet und wie eine Ikone verehrt.
„Es gibt nichts als Entenhausen“
Die Topografie von Entenhausen, dem kalifornischen Zuhause der Ducks, wird durch eigens für den „Reiseführer Entenhausen: Die schönsten Sehenswürdigkeiten“ (1) (mit großem Stadtplan zum Herausnehmen) angefertigte Illustrationen treffsicher eingefangen. So hat die Kartierung der Fiktion durch Jürgen Wollina erst kürzlich diesen lustigen, bunten und spannenden Guide hervorgebracht, in dem der Autor von den Helden der Entenhausener Geschichte seit dem Stadtgründer Emil Erpel erzählt und sich dabei auf den Clan der Ducks konzentriert.
Wird diese ferne und doch vertraute Comic-Parallelwelt mit dem Entenhausener Münster (Notre Duck), den Geldspeichern des Dagobert Duck, die bereits aus großer Entfernung sichtbar sind, mit Schloss Schauerstein, den Hafenanlagen, den Zoologischen Gärten, der spektakulären Natur, dem Gumpensund … durch die allzu gründliche Durchforstung der Duck-Geschichten des amerikanischen Zeichners Carl Barks nicht gänzlich entzaubert und ihres geheimnisvollen Nimbus beraubt? Kann sich des Lesers Vorstellungskraft noch an einem gelüfteten Geheimnis entzünden oder kommt es zur Abstumpfung von dessen Fantasie?
„Mitnichten!“, würde Jürgen Wollina auf diese Fragestellung antworten und sich dabei auf folgendes Zitat von Michael Stolleis berufen: „Entenhausen ist nicht nur eine verallgemeinerbare Metapher, die im ‚Bild’ auf eine jenseits des Bildes existente Realität verweist, sondern es ist als soziale Konstruktion der Realität diese Realität selbst. Es gibt, mit anderen Worten, nichts als Entenhausen.“
Eine Stadt zwischen Gold- und Betonrausch
Im brandneuen Band „Under ConDUCKtion“ (2) werden die architektonischen Meisterleistungen von Entenhausen gewürdigt, insbesondere die Geldspeicher, das Emil-Erpel-Denkmal oder die Notre Duck. An allen Ecken und Enden wird noch immer gewerkelt und unsere Helden machen fleißig mit, denn im Bauwesen eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten für gute Geschäfte (was Dagobert zu Meisterleistungen anspornt), krumme Händel (was Micky auf den Plan bringt) und bauliche Katastrophen (wenn Donald seine unseligen Hände im Spiel hat).
Onkel Dagobert muss auch außerhalb von Entenhausen Geld verdienen. Seine verwegenen Schatzsuchen und seltsamen Investments bringen Faulpelz Donald und dessen wackere Neffen immer wieder auf Trab und in Gefahr. In „Das Gespenst von Duckenburgh“ (3) von Carl Barks versammelt der alte Geizkragen seine Familie um sich, damit sie ihm helfen, den außergewöhnlichen Schatz zu heben, der in den Gemäuern des Stammsitzes des Duck-Geschlechtes in Schottland verborgen sein soll.
Das druckfrische Werk „Dagobert und der Drache von Glasgow“ (4) schildert das harte Leben als Schuhputzer in Glasgow Ende des 19. Jahrhunderts.
Doch hat man das Ziel vor Augen, die reichste Ente der Welt zu werden, ist keine Herausforderung zu groß. Zu Dagoberts 75. Geburtstag präsentieren die Künstler Joris Chamblain und Fabrizio Petrossi eine vergnügliche Geschichte aus der Kindheit des späteren Fantastilliardärs. Der Rezensent hat sich als Carl-Barks-Fan schwergetan, mit der ungewohnt ausufernden Zeichenweise und dem überall störenden dunklen Bildhintergrund.
Wenn Geld zum Sexersatz mutiert
Als Hort des Kapitalisten erweist sich Onkel Dagoberts Geldspeicher, den man entweder als Schandfleck oder Wahrzeichen Entenhausens betrachten kann, was Ansichtssache ist. Der Betonklotz auf dem Hügel im Herzen seiner Heimatstadt dient dem Erpel-Opa nicht nur als gigantischer Schmuckkasten für seine angehäuften Reichtümer, sondern auch als Wohnraum und Bürogebäude.
Im Duckschen Geldspeicher, einem Riesen-Finanzseparee, pflegt Dagobert ein sexuelles und fetischgetriebenes Verhältnis zu seinen Münzen und Banknoten, die er innig liebt, aber nicht verbraucht. Er badet darin. „Es ist mir ein Hochgenuss“, vermerkt der kauzige Krösus, „wie ein Seehund hineinzuspringen, wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen, und es in die Luft zu schmeißen, dass es mir auf die Glatze prasselt.“
Dass Geld auch ein Lustobjekt ist, Dagobert der Umgang mit Geld ein sinnliches Vergnügen bereitet und das Geldbad als körperliche Vereinigung mit dem Grundstoff des Kapitalismus, dem Trillionär die Befriedigung einer erfüllten Liebe verschafft, ist ein interessanter Blickpunkt, den Carl Barks immer wieder zur Geltung bringt.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können