In Deutschland hatten die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm bereits ihre Märchensammlung einem breiten Publikum vorgestellt. Angeregt von den teils merkwürdigen Erzählungen entschloss sich der Luxemburger Gymnasiallehrer und Sprachforscher Nikolaus Gredt, ebenfalls eine Sammlung von Volkssagen herauszugeben. Es entstand der Sammelband „Sagenschatz des Luxemburger Landes“. 1883 erschien die erste Edition dieser Literatursammlung, in der oft von Wichteln (Wichtelcher) und anderen fabelhaften Wesen die Rede ist. Häufig erzählen die Geschichten von armen, aber fleißigen Leuten, denen die Wichtel heimlich helfen, doch durch ein Missverständnis verschwinden die kleinen Geister auch wieder.
So erzählt die folgende Geschichte aus Strassen bei Luxemburg: „Einem ohne seine Schuld in Not geratenen Mann, der in einem heute noch bekannten (1883) Hause wohnte, halfen die Wichtelcher aus der Not, indem sie jeden Tag in der Früh die Arbeit im Haus, Stall und auf den Feldern verrichteten. Als der Winter hereinkam, legte der Mann den Wichtelchern Kleidungsstücke in die Scheune, damit sie sich gegen die Kälte schützen könnten. Da glaubten die Wichtlein, man bedürfe ihrer nicht mehr, und waren von der Zeit an verschwunden.“ Ähnliche Sagen hörte man aus Bartringen, Kopstal und Berg. Mehr als 60 solcher Erzählungen von Wichteln und Kobolden sammelten Gredt und seine Freunde und Kollegen.
Doch der gesamte Sagenschatz umfasst weit mehr als 1.100 weitere Fabeln. Wie es im Nachwort heißt: „Ein tiefes Rechtsgefühl und die anspruchslose Zaubergewalt der Unschuld beherrschen diese ganze Sagenwelt: sie ist der älteste und treueste Spiegel des Volkscharakters.“ Ob von Kobolden, Männern ohne Kopf, wilden Frauen, reißenden Flüssen oder gefährlichen Mooren, ob von den Kriegern des Dreißigjährigen Krieges oder Napoleons Heerscharen, überall im Lande blieben Geschichten zurück, die man sich Jahrzehnte bis Jahrhunderte weiterberichtete. Lebensgeschichten, die in Geschichten kolportiert wurden, mal mehr nüchtern erzählt, mal fantasievoll ausgeschmückt.
Auf den Spuren der Wichtel
In vielen dieser Sagen werden Orte benannt, die man auch heute noch aufsuchen kann, an denen sich historische Wahrheiten oder auch das Empfinden der Menschen aus alten Zeiten nachspüren lässt.
Im benachbarten Deutschland, vor allem im Schwarzwald, sind mehrere Wichtelpfade als Wanderwege angepriesen. Dahinter steckt die Idee, dass über die Wichtelwelt – die in der Fantasie von Groß und Klein lebt – die Geheimnisse der Natur erkundet werden können, die Liebe zum Wald, zu seinen Pflanzen und Tieren entdeckt und gepflegt wird. Dass dies mit Leichtigkeit geschieht, dafür sorgen Abenteuerpunkte, spielerische und sportliche Herausforderungen. Hier sei der Wichtelpfad im Auerhahnwald (Feldberg) genannt. Die Idee zu diesem Naturlehrpfad stammte von dem Feldberg-Ranger Achim Laber. Er entwickelte eine kleine Geschichte, nach der die jungen Schwarzwaldbesucher die liebevoll gestalteten Wichtelhäuser und deren Bewohner entdecken können. Die Figuren wurden von Künstlern der Region hergestellt. An anderen Punkten gibt es einen Hochsitz, von dem das Land überblickt werden kann, oder ein gewaltiges Hörrohr, welches die Geräusche des Waldes verstärken soll. Dazwischen gibt es Spiel- und Sportmöglichkeiten, an denen sich die Kinder austoben können.
Wer die Anreise dorthin scheut – von Esch/Alzette braucht man immerhin drei Stunden mit dem Auto – kann sich auch im Norden und Nordwesten unseres Landes auf die Wichtelsuche begeben. „Mam Robi duerch de Bësch“ heißt es im Naturpark Hosingen. Natur erleben, Spaß haben, Geschicklichkeit proben und Sport treiben – und ganz nebenbei auch noch die Natur kennenlernen. Dies ist der Anspruch des Naturlehrpfads in Hosingen. Auf einem drei Kilometer langen Rundweg sind nicht nur neun verschiedene Proben zu bestehen, hier kann man auch den Ausblick in die Natur genießen, Pflanzen kennenlernen und heimische Tiere belauschen. Im dazugehörigen Arboretum lädt eine Rallye mit 13 spannenden Fragen dazu ein, sich die Steckbriefe verschiedener Baumarten genauer anzusehen und so Wissenswertes über die Flora und Fauna zu lernen. Wer alle Fragen beantwortet hat, kann seinen Fragebogen im Briefkasten an der Infotafel einwerfen und erhält eine kleine Überraschung.
In der Mitte des Arboretums befindet sich auch ein Eiszeitgarten mit Pflanzen, die nach der letzten Eiszeit als Erste wieder die Landschaft besiedelt haben. Außerdem erklärt eine Infotafel die Entstehung des Waldes in Mitteleuropa.
Unweit dieses Wanderweges findet man im Dreiländereck die Nat’Our-Route 1. Das Ourtal zwischen Tintesmühle und dem Ort Ouren ist hier eng, steil und urig. Tief hat sich der Fluss hier zwischen Ösling und Eifel ins Schiefergebirge gegraben. Auf der Hälfte der Tour erreicht man das Europadenkmal in Ouren. Für fünf Gründerländer des Vereinten Europa steht ein großer Steinblock in der Parkanlage des Europadenkmals. Seltene Auwaldbestände finden sich zu beiden Ufern der Our. Man findet nicht nur eine reiche Tierwelt – vielleicht lässt sich in den vielzähligen Höhlen und Löchern auch ein Wichtel entdecken.
Wichtelwelt selbst gebaut
Wer an einem Wochenendtag vielleicht nur einen kleinen Ausflug in die nähere Umgebung seines Wohnorts machen will, kann vielleicht selbst eine kleine Wichtelburg bauen. Eine Kokosnussschale als Dach, Zweige und Äste als Wände, Moos als Lagerstätte – schon ist eine kleine Wichtelbehausung entstanden. Und zwischen den Häusern kann man kleine Wege anlegen, die mit Sägemehl bestreut ein richtiges Straßennetz bilden. Mancher Sage nach belohnt ein Wichtel das Errichten einer solchen Behausung mit einem Edelstein.
Und sollte auch dies nicht der Fall sein, so ist es doch eine gute Gelegenheit, mit der Familie einen Tag in der Natur zu verbringen, den Kindern unseren unterschiedlichen Waldbestand zu erklären und sich selbst vielleicht auch einmal Kenntnisse ins Gedächtnis zurückzurufen, die man einst im Heimat- und Naturkundeunterricht gelernt hatte.
Und am Abend nach der Heimkehr kann man sich vielleicht gegenseitig aus dem Sagenschatz des Luxemburger Landes vorlesen.
@Fiischen: Sind die Aktivisten der Gendersprache nun als Kobolde zu bezeichnen, sie den Schabernack mit unserer Sprache betreiben?
Wird Zeit, dass mal wieder eine Bande Gartenzwerge entführt und im Wald frei lässt.
Alles so weit, so gut bis dass ein heller Kopf findet, dass die Bezeichnung Wichtelcher und dergleichen eine Diskrimination von Kleinwüchsigen darstellt