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QuergelesenWarum der Sammelbegriff „Indianer“ nicht rassistisch ist

Quergelesen / Warum der Sammelbegriff „Indianer“ nicht rassistisch ist

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Dass nordamerikanische Indigene diese Bezeichnung für sich selbst verwenden, ist für René Oth Grund genug, die derzeit tobende Winnetou-Debatte als Irrsinn und Wahn bloßzustellen

Der Duden ist auch nicht mehr, was er einst war – ein unentbehrlicher und verlässlicher Ratgeber in allen sprachlichen Lebenslagen. Er ist zum fiesen Sprachrohr einiger weniger Shitstorm-Provokateure in Social Media verkommen, als er das Wort „Indianer“ in seiner Online-Ausgabe als „diskriminierend“ einstufte, was völliger Schwachsinn ist und Verlagsgeschäftsführer wie Bernhard Schmid des Karl-May-Verlags oder Kerstin Schmäling des Traumfänger Verlags zu Recht in Rage versetzt.

Darüber hinaus liegt der Duden total falsch, wenn er als Synonyme von Indianer „Kundschafter“, „Späher“, „Spürhund“ und „Spion“ nennt, richtig gewesen als gleichbedeutend wären „First Nations“, „American natives“, nordamerikanische Ureinwohner, Indigene oder Autochthone.

Für die „American natives“ ist das heute zum I-Wort degradierte „Indianer“ keine Beleidigung und beinhaltet keine Herabwürdigung, sondern ist Teil ihrer Identität. In der Tat haben sie sich stets selbst so bezeichnet, was derzeit noch in den indigenen Benennungen „American Indian Movement“, „National Advisory Council on Indian Education“ oder „National Congress of American Indians“ voll zum Tragen kommt. Der Ausdruck „Indianer“ bekundet häufig positive Aspekte wie Naturverbundenheit oder außerordentliche Tapferkeit. Ganz geläufig ist z. B. das Sprichwort „Indianer kennen keinen Schmerz“, das den nordamerikanischen Autochthonen besondere Stärke zuweist.

(1) „Der junge Häuptling Winnetou: Das große Fanbuch“<br />
Karl-May-Verlag, Bamberg 2022<br />
96 S., 15,00 Euro
(1) „Der junge Häuptling Winnetou: Das große Fanbuch“
Karl-May-Verlag, Bamberg 2022
96 S., 15,00 Euro

Der kleine Häuptling und die Netzhysteriker

Trotz der heftigen Vorwürfe aus dem Netz, wonach der Karl-May-Stoff „kolonialistische“ und „rassistische Vorurteile“ schüre und ein Fall von unerwünschter „kultureller Aneignung“ sei, hat der Karl-May-Verlag nicht im Geringsten gezögert, beim Start des neuen Kinoabenteuers „Der junge Häuptling Winnetou“ (1) das dazu gehörende Fanbuch mit demselben Titel zu veröffentlichen – mit allen möglichen Informationen über die kleinen und großen Helden, die prächtigen Pferde und beeindruckenden Drehorte.

Zwei bedauerliche Fehler stören in Film und Buch: Die Apachen wohnten nicht in von Bisonleder und Fellen überzogenen Stangenzelten oder Tipis, sondern in hüttenartigen Wickiups aus gebogenen Holzstämmen, deren Gerüste mit Grasmatten bedeckt wurden. Die Apachen gingen auch nicht auf Bisonjagd, denn in ihren sonnendurchglühten Wüstengebieten, die sich heute in die US-Staaten Arizona und New Mexico und in die mexikanischen Provinzen Sonora und Chihuahua aufgliedern, gab es keine Büffel, denen sie nachstellen konnten. Sie waren richtige Raubguerilleros, die zu einem großen Teil von Plünderungen und Überfällen lebten.

Diese zwei Patzer beweisen, dass Klischees (sogar lieb gewonnene) und falsche Stereotype selten der Wirklichkeit standhalten. Aber müssen sie das überhaupt? Und gibt es überhaupt gute Kinder- und Jugendbücher, die ohne Klischees und Stereotype auskommen? Hat nicht jeder Leser automatisch gespürt, dass er mit Winnetou einen ausgedachten Roman liest, dessen Realitätsgehalt in etwa dem Wirklichkeitsbezug von Rotkäppchen und dem bösen Wolf gleichkommt? Kulturelle Aneignung ist eine der wichtigsten Kulturtechniken, die ein friedliches Zusammenwachsen ermöglichen. Die gesamte Menschheitsgeschichte ist tatsächlich eine Historie kultureller Entwendungen, Vermischungen und Neuausrichtungen, ohne die es keine Entwicklung und keinen Fortschritt gegeben hätte.

An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass am 17. Januar 1928 eine Abordnung von Sioux zum Grab Karl Mays in Radebeul bei Dresden reiste, um den Schriftsteller zu ehren, den der Häuptling Big Snake in seiner Rede so ansprach: „Du großer toter Freund! … Du hast unserem sterbenden Volk im Herzen der Jugend aller Nationen ein bleibendes Denkmal errichtet.“

(2) René Oth<br />
„Die Rückkehr aus den ewigen Jagdgründen: Utopischer Roman“ Traumfänger-Verlag, Hohenthann 2022<br />
288 S., 12,90 Euro
(2) René Oth
„Die Rückkehr aus den ewigen Jagdgründen: Utopischer Roman“ Traumfänger-Verlag, Hohenthann 2022
288 S., 12,90 Euro

Meine langjährige Verbundenheit mit Indianern

Ich habe als Autor bei namhaften deutschen Verlagen eine ganze Reihe von Sachbüchern zur Geschichte und zur gegenwärtigen Situation der Völker Nord-, Zentral- und Südamerikas und soeben beim Traumfänger-Verlag meinen utopischen Roman „Die Rückkehr aus den ewigen Jagdgründen“ (2) veröffentlicht.

Darin hat sich die einstige Prophezeiung des Paiute-Schamanen Wovoka, des Urhebers der Ghost-Dance-Bewegung, jetzt erfüllt: Unzählige Indianer – samt Millionen Büffeln – kehren aus der Geisterwelt zurück und verdrängen die Weißen aus Amerika. Manitu, das „Große Geheimnis“, hat selbst eingegriffen und den Kampf gegen seine Götterkollegen Jahwe und Allah für sich entschieden, um seinem Menschengeschlecht endlich zu historischer Gerechtigkeit zu verhelfen. Er hat den Sioux-Kriegshäuptling Crazy Horse, den größten Indianerkämpfer aller Zeiten, aus dem Jenseits zurückbeordert, damit dieser an der Spitze der Auferstandenen für eine Neuorientierung von Geschichte, Kultur und Umwelt der Vereinigten Staaten sorge und so dem schon seit Jahrhunderten andauernden elenden Flüchtlingsdasein der indianischen Völker ein Ende setze.

In diesem „leidenschaftlichen Plädoyer gegen Rassismus, Umweltzerstörung und religiösen Fundamentalismus“ stoßen zwei gegensätzliche Universen aufeinander: die durch überhebliche Machtausübung und verletzenden Weltzugriff frevelnde Weltanschauung der Weißen und die von der Ehrfurcht vor Geschöpf und Umwelt geprägte Lebenssicht der Indianer.

In meinem Werk verdeutliche ich stets, dass das ganze Streben der Indianer (ich benutze bewusst dieses von mir hochgeachtete und hochgeschätzte Wort, das mich seit meiner Kindheit begleitet und überhaupt keine entwürdigende Bedeutung hat) auf das Wohlergehen der Gemeinschaft zielte, deren harmonisches Gedeihen eine tolerante Geisteshaltung eines jeden einzelnen voraussetzte – ein leuchtendes, bewundernswertes Vorbild für uns alle im Gegensatz zur geistigen Enge und Beschränktheit der Häme und Hass verstrahlenden Netzhysteriker.

Victor
15. Oktober 2022 - 18.45

" z. B. das Sprichwort „Indianer kennen keinen Schmerz“, das den nordamerikanischen Autochthonen besondere Stärke zuweist."

Sprichwort?
Das stammt aus dem 'Schatz im Silbersee' eines Autors der nie einen Indianer gesehen hat.

R.Crusoe
15. Oktober 2022 - 11.59

"Indian Nation" so bezeichnen sie sich selbst,die Indianer. Diskriminierung ist heuer in aller Munde. " Idiot " ist ein definiertes Wort und bezeichnet einen dummen Menschen.Warum sollte man es nicht mehr benutzen dürfen? " Neger " absolut tabu.Aber schwarzhäutige Menschen werden als "negroid" bezeichnet. Das ist eine Definition und kein Schimpfwort. Diese Hysterie sollte schnellstens abgelegt werden und man sollte sich auf wahre Diskriminierung konzentrieren. *** .Ob man einen Schwarzhäutigen nun als Neger oder Farbigen oder was auch immer bezeichnet,diskriminiert wird er wenn er Nachteile in der Gesellschaft erleidet ob seiner Hautfarbe oder auch,Kultur. Und da sind wir Weissen einsame Spitze,denn wir sind die Guten.

Daniel Luciani
10. Oktober 2022 - 15.42

Eins vorweg : Ich bin kein Freund der cancelnden Woke-Kultur, da ich denke dass die Handhabung problematischer Darstellungen von Ethnien, Glaubensgemeinschaften usw differenziert und durch einen Dialog ausgehandelt werden soll (natürlich nur insofern alle Parteien dies zulassen).

Es sollte andererseits auch möglich sein, existierende Klischees und Stereotypen zumindest in Frage zu stellen. Denn Stereotypen bleiben auch dann Stereotypen, wenn sie dem "anderen" (vermeintlich) positive Attribute zuschreiben, wie zum Beispiel Schmerzempfindlichkeit. Dabei entsteht mitunter ein problematisches Bild vom "anderen" : auch wenn die meisten Europäer heute die vermeintliche "Naturverbundenheit" der Indianer als durchgehend positives Attribut verstehen (eins, das uns abhanden gekommen wäre), so handelt sich auch um ein Klischee aus (prä-)Kolonialzeiten. Dieser "bon sauvage" (in den Wörtern von Rousseau) hat wenig bis keine Kultur - er "ist Natur". Die Ethnologie hat uns mittlerweile eines besseren belehrt : kein Volk ist auf ihre "Natur" reduzierbar - sie/wir sind alle "Kultur"!

Zum Begriff der "Indianer" : Die enorme kulturelle Vielfalt der "Indianer" (wie sie sich auch immer nennen wollen) sollte verdeutlichen dass es sich um ein europäisches Klassifikations-Konstrukt handelt und nicht um eine homogene, objektiv beobachtbare Einheit (die ein Gebiet bewohnen würde, dass sich von der Arktis bis nach Patagonien erstreckt, vom Osten bis nach Westen des Kontinents?). Hier wird des Bild eines "generischen Indianers" mobilisiert (inklusive all den Karl-May-Klischees wie "großer Geist" usw), so als ob sich dies auf alle Völker eines Kontinents übertragen ließe. Wie sieht's bei Ihnen aus : tragen Sie heute einen Kilt?

Mir ist wohl bewusst dass "die Indianer" (oder doch eher Karl May & co.?) die Phantasie und Kreativität vieler Europäer beflügelt haben und dabei ein verklärtes Menschenbild vom "heldenhaften und mystischen Naturmenschen" geschaffen haben, dem sie etwas nachtrauern. In dem Sinne ist der Indianer nicht der Mensch, den wir diesem Kulturkreis zurechnen, sondern eine romantische Projektion des westlichen Denkens, die versucht der "Entzauberung der Welt" entgegen zu steuern.

Wenn die tolerante Geisteshaltung eine Voraussetzung für das Miteinander sein sollte, dann sollten aber auch das infrage stellen von überholten Klischees einen Platz in diesem Dialog finden, genauso wie ethnologische Erkenntnisse (ohne "canceln", wohlverstanden).