Bis heute steht in meinem Küchenschrank eine Teetasse aus Kinderzeiten. Es ist eine sehr englische Tasse, auf ihr ist eine Bärenfamilie im typisch britischen Regen abgebildet. Mit Eltern im Dufflecoat und Regenschirm, Bärenkindern, die mit Gummistiefeln in Pfützen spielen. Was ein Dufflecoat ist, wollt ihr wissen? Das ist eine warme Wolljacke mit Kapuze, wie sie auch Paddington-Bär trägt.
Nun könnte man denken, Gummistiefel sind eine Erfindung der Briten, weil es dort so oft regnet. Doch ihr Ursprung liegt weit zurück in der Geschichte und kommt aus einer Gegend, in der Gummi sozusagen natürlich beheimatet ist: Die Ureinwohner Südamerikas hatten erkannt, dass der Milchsaft bestimmter Bäume gerann und eine wasserdichte Oberfläche schuf. Und weil alles in der Pflanzenwelt auch eine lateinische Bezeichnung hat, ist uns dieser Milchsaft auch als Latex bekannt. Die Ureinwohner strichen sich diesen Saft direkt auf die Haut der Beine. Ausgehärtet schützte dieser Naturkautschuk vor Stacheln und vielleicht auch etwas vor Schlangenbissen. Richtige Gummistiefel waren dies aber noch nicht, denn das Material bekam bald Risse, war wenig haltbar und musste oft erneuert werden.
Die Entdeckung des Vulkanisierens
War die Wirkung des Naturkautschuksaftes den Ureinwohnern Südamerikas schon seit Jahrtausenden bekannt, so ist die Entwicklung des Gummistiefels eher eine jüngere Erfindung. Der US-amerikanische Unternehmer Charles Goodyear, der eigentlich eine Firma für Landmaschinen besaß, experimentierte mit Kautschukmischungen, um ein haltbares Material herzustellen. Wie so manchmal, kam auch hier der „wissenschaftliche Zufall“ zu Hilfe: Eine Kautschuk-Schwefel-Mischung fiel auf eine heiße Ofenplatte, das Material verschmolz miteinander und bildete einen elastischen Gummi. Weil der Prozess unter große Hitze ablief, nannte Goodyear ihn „Vulkanisieren“. Gemeinsam mit seinen Technikern tüftelten sie an einem Verfahren, wie man Gummi herstellen und verarbeiten kann. Mit dem neuen Material stellten sie wasserdichte Stiefel her, die vor allem von den Goldwäschern im Westen der USA bevorzugt wurden. Allerdings verstand es Goodyear nicht so gut, seine Idee zu vermarkten. Noch vor seinem 60. Geburtstag verstarb er fast mittellos. Die späteren Reifenfabrikanten Frank und Charles Seiberling nannten ihr Unternehmen dem Erfinder zu Ehren „Goodyear Tire & Rubber Company“.
Gummistiefel wurden in der Folge vor allem in Frankreich hergestellt. Der Amerikaner Hiram Hutchinson hatte von Goodyear die Produktionslizenz für die Stiefel erworben und stellte sie in Frankreich unter dem Namen „l’Aigle“ her. Der „Adler“ war eine Erinnerung an Hutchinsons Heimat USA, deren Wappentier er ist. Bis heute werden Gummistiefel der Firma Hutchinson unter dem Markennamen „Aigle“ vertrieben.
Viele Materialien – ein Name
Natürlich gibt es auch heute noch die klassischen Gummistiefel. Sie werden vor allem in der Landwirtschaft, im Forstbetrieb oder auch in Berufen genutzt, bei denen der Boden meist feucht oder nass ist. Man hat jedoch festgestellt, dass Stiefel aus Naturkautschuk bei manchen Berufen relativ schnell verschleißen. So greift scharfe Tiergülle zum Beispiel den Gummi an und macht ihn brüchig. Daher haben Chemiker Kunststoffe für die Stiefel entwickelt, die widerstandsfähiger sind. So werden Gummistiefel, die in der Landwirtschaft benutzt werden, meist aus Polyurethan hergestellt. Doch egal, welche Stoffe benutzt werden, der Name Gummistiefel bleibt. Sie wurden um die Jahrtausendwende sogar zeitweise zum Modeaccessoire, nachdem viele Stars und Sternchen aus der Film- und Modewelt in Gummistiefeln auftraten.
Für Kinder gibt es sie heute in allen möglichen bunten Farben und Mustern – der Spaß, mit ihnen durch Pfützen zu trapsen, ist jedoch bei allen gleich.
Was man sonst noch mit Gummistiefeln machen kann
Aus Südafrika kommt zum Beispiel der Gummistiefeltanz. Er wurde von schwarzen Arbeitern erfunden, die in den Goldminen schuften mussten. Um ihre Füße vor Hautkrankheiten in dem giftigen Minenwasser zu schützen, trugen sie Gummistiefel. Die Arbeiter waren in den Minen angekettet und durften nicht miteinander sprechen. Um sich zu verständigen, klatschten sie rhythmisch auf die Schäfte der Stiefel oder stampften in einem bestimmten Rhythmus, ähnlich dem Morse-Alphabet. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten und der Tanz wird von schwarzen Gruppen heute weltweit aufgeführt.
Nicht nur aus dem Süden, sondern auch aus dem hohen Norden lässt sich von einer Gummistiefel-Tradition berichten. Aus Finnland wurde überliefert, dass Seeleute in ihrer Freizeit nach einem sportlichen Ausgleich suchten. Irgendwann kamen sie auf die Idee, Weitwurfwettbewerbe mit ihren Gummistiefeln auszutragen. Wann und wo das genau war, kann nicht bestimmt werden. Fest steht, dass um 1975 in Finnland ein Regelwerk für den Gummistiefelweitwurf aufgestellt wurde und es seitdem dort Meisterschaften gab. Inzwischen hat sich die Sportart so verbreitet, dass es auch Weltmeisterschaften darin gibt. Ähnlich wie beim Diskus dreht sich die Werferin oder der Werfer im Kreis und lässt den Stiefel dann so weit wie möglich fliegen. Der Weltrekord bei den Männern hat der Finne Antti Ruusuvirta am 12. Juli 2012 mit 68,03 Metern aufgestellt. Seine Landsfrau Elina Uustalo schaffte es am 28. September 2008, ihren Stiefel 49,35 Meter weit zu schleudern.
Und nun seid ihr dran! Testet mal auf einem Sportplatz, wer von euch am weitesten werfen kann. Viel Spaß dabei!
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