Nur zwei Jahre nach „Ordinary Man“ veröffentlichte Ozzy Osbourne dieser Tage das Album „Patient Number 9“ (9 Punkte). Der Titel ist symptomatisch, schließlich wurde der Metalsänger in den vergangenen Jahren gesundheitlich stark gebeutelt. Absolut fit ist er immer noch nicht, aber für ein neues Album hatte er die Kraft. Der 31-jährige Andrew Watt, der schon „Ordinary Man“ und Stars wie Miley Cyrus, Justin Bieber und Post Malone produzierte, war ein essenzieller Teil bei der Entstehung der Songs. Er schrieb alle Texte und an den Songs mit. Was bei Ozzy kein ungewöhnlicher Vorgang ist. Auf „No More Tears“ von 1991 stammen etwa vier Texte von Motörhead-Legende Lemmy.
Also braucht niemand Angst zu haben. „Patient Number 9“ klingt eindeutig nach Ozzy Osbourne. Was auch daran liegen mag, dass Zakk Wylde teilweise wieder dabei ist – genauer gesagt in „Parasite“, „Mr. Darkness“, „Nothing Feels Right“ und „Evil Shuffle“. In „Immortal“ wird die Gitarre von Mike McCready (Pearl Jam) gespielt, im Titelstück und in „A Thousand Shades“ von Jeff Beck (!), in „One Of Those Days“ von Eric Clapton (!!) und in „No Escape From Now“ und „Degradation Rules“ vom großen Black-Sabbath-Gitarristen Tony Iommi (!!!). Dessen nicht genug: Weitere Gäste sind u.a. Dave Navarro (Jane’s Addiction), Robert Trujillo (Metallica) und der verstorbene Foo-Fighters-Schlagzeuger Taylor Hawkins.
Dass bei diesem Klinkenputzen namhafter Musiker aus unterschiedlichen Subgenres des Rock nicht der typische Ozzy-Sound über Bord ging, ist sehr erstaunlich. Dass der Protagonist immer noch sehr gut und klar singen kann, während er in Interviews vor sich hin nuschelt, ebenso. Totgesagte leben länger, lautet daher das Fazit zu diesem starken Album, das seinen direkten Vorgänger in den Schatten stellt.
Apropos Black Sabbath: Arthur Rizk, der Produzent des aktuellen Kreator-Albums „Hate Über Alles“, ist selbst Musiker und u.a. Kopf der Band Sumerlands (mit nur einem m geschrieben!). Die machen eine Art Glam-Power-Metal, der Einflüsse der Black-Sabbath-Ära mit Glenn Hughes, der Scorpions oder von Rizks anderer Band Eternal Champion vereint. Deren Debütalbum trägt den Titel „Dreamkiller“ (9 Punkte) und ist über das Extreme Metal-Label Relapse Records erschienen. Hier läuft das Album mit seinem 80er-Hardrock-Charme (der Hairspray-Glam-Metal ist ausdrücklich nicht gemeint!) in Dauerschleife.
„Sunrise On Slaughter Beach“ (7 Punkte) heißt das neue Werk von Clutch. Seit über 30 Jahren sind die vier Stoner/Alternative-Rocker zugange. Ihr 13. Album beinhaltet stellenweise ruhige Töne (siehe „Jackhammer Our Names“) und den Song „Mercy Brown“, der in Richtung Mainstream schielt. Das sind aber Ausnahmen; Frontmann Neil Fallon und seine Kollegen haben ihr Handwerk keineswegs verlernt. „Yes, we do, we strive for excellence“ singt er in „We Strive For Excellence“, einem dieser typischen, groovenden Clutch-Rock-Stücke. Durch „Red Alert (Boss Metal Zone)“ groove-rocken sie sich ebenso, und in „Skeletons On Mars“ driften sie dezent ins Progressive ab. Der Ohrwurm auf diesem Album ist „Slaughter Beach“, ein Midtempo-Stück mit vielen verschiedenen Parts und Chorgesängen. Nein, langweilig klingen Clutch nicht.
Mit dem 2018er Machine Head-Album „Catharsis“ ging eine Ära zu Ende. Kurz danach stiegen die langjährigen Mitglieder Phil Demmel (jetzt wieder Gitarrist bei Vio-lence) und Dave McClain (ist bei Sacred Reich hinters Schlagzeug zurückgekehrt) aus. Es war lange unklar, wie es mit der Band weitergehen würde. Für die Jubiläumstour zum Debütalbum „Burn My Eyes“ heuerte Bandkopf Robb Flynn die früheren Mitstreiter Logan Mader (Gitarre) und Chris Kontos (Schlagzeug) an. Das zehnte Album „Øf Kindøm And Crøwn“ (7 Punkte) entstand allerdings mit Bassist Jared MacEachern (seit 2013 dabei), Neuzugang Wacław Kiełtyka (Gitarre, auch Decapitated) und Navene Koperweis, der den eigentlichen Schlagzeuger Matt Alston im Studio vertrat.
Zwischendurch kam immer wieder die Frage auf, in welche Richtung sich die Band nach obiger Zäsur entwickeln würde. Flynn war alles zuzutrauen. Doch „Øf Kindøm And Crøwn“ hat der Umbruch gut getan: Das Tempo ist hoch, der Mix aus Groove- und Thrash Metal zündet wieder. Das ist beispielsweise an „Chøke Øn The Ashes Øf Yøur Hate“, dem pfeilschnellen Geknüppel in „Becøme The Firestørm“ oder „Bløødshøt“ festzumachen. Und wenn das Tempo mal nicht so hoch und der melodische Gesang stärker präsent ist, gelingt Flynn & Co. ein sehr hörenswerter Song namens „Unhalløwed“. Nur auf die drei Zwischenstücke hätte er verzichten können.
Ein neues Studioalbum haben Obituary noch nicht fertig. Dafür haben die Florida-Death-Metaller gleichzeitig zwei Livealben veröffentlicht: „Slowly We Rot – Live & Rotting“ und „Cause Of Death – Live Infection“ (je 8 Punkte). Sie wurden im Oktober 2020 im Rahmen von zwei Streaming-Shows ohne Vor-Ort-Publikum mitgeschnitten. Beide Studioalben, ihr 1989er-Debüt „Slowly We Rot“ und dessen Nachfolger „Cause Of Death“ (1990), haben sie zu diesem Anlass in voller Länge live gespielt und jetzt noch um Bonussongs angereichert. Die „Live“-Versionen dieser ikonischen Death-Metal-Werke gibt es auf Vinyl, Kassette und als CD mit Blu-ray Disc.
(Kai Florian Becker)
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