Natalie Mering war einst Mitglied der aus Portland, Oregon, stammenden Experimental-Rock-Band Jackie-O Motherfucker. Danach schlug sie als Weyes Blood eine Solokarriere ein. Tatsächlich war sie schon bei den Kritikern beliebt, als sich die Singer-Songwriterin mit ihrem vierten Album „Titanic Rising“ (April 2019) international auf relativ breiter Front Gehör verschaffen konnte. Ihr schwereloser Dream Pop war eben besonders. Das lag zum einen an ihrer musikalischen Experimentierfreudigkeit sowie ihrem Faible für 70er-Jahre-Softrock und zum anderen an ihrer erhabenen Stimme, die wie die einer Sängerin aus eben jener Zeit klang. Kein Wunder, sang sie früher in Gospel- und Madrigalchören.
„Titanic Rising“ war der Start einer Trilogie und tauchte in zahlreichen Jahresbestenlisten auf. Jetzt erschien unter dem Titel „And In The Darkness, Hearts Aglow“ der zweite Teil. Darauf geht es um die Angst vor dem drohenden Untergang. Soll man aufgeben oder doch noch etwas Hoffnung haben und sich an dieser festklammern? „We’re in a fully functional shit show. My heart is a glow stick that’s been cracked, lighting up my chest in an explosion of earnestness“, sagt Weyes Blood dazu. Sie untermalt ihre Texte mit Piano, Schlagzeug und Chorgesang („It’s Not Just Me, It’s Everybody“), Akustikgitarre und opulenten Streichern („Grapevine“), Synthesierflächen („God Turn Me Into A Flower“) oder malerischem Indie-Artpop („Hearts Aglow“). Faszinierend.
Rating: 8/10
Von den USA geht es nach Skandinavien. Wer ihr neues Album „Private Collection“ nur flüchtig hört, wird sich an die frühen Werke von Tori Amos erinnert fühlen. Das liegt daran, dass die Stimme von Karin Park artverwandt ist und sie auch am Piano sitzend melancholisch-einfühlsame Songs zum Besten gibt. Manchmal hat sie auch etwas von Sinéad O’Connors Klangfarbe („Bending Albert’s Law“).
Musikalisch tendiert Park mehr in Richtung frühe Fever Ray oder Zola Jesus. Womit klar sein sollte, dass die aktuellen Alben von Park und Weyes Blood stimmungstechnisch nicht weit auseinanderliegen. Parks Musik ist im direkten Vergleich einen Hauch düsterer und auch elektronischer („Tokyo By Night“). Ihr bereits siebtes Album hat sie in Schweden in einer zum Studio umfunktionierten ehemaligen Kirche zusammen mit ihrem Ehemann Kjetil Nernes (Arabrot) an der Gitarre, Andrew Liles (Nurse With Wound) an den Synthesizern und der Cellistin Benedetta Simeone eingespielt.
Rating: 7/10
Nicht ganz so schwere Kost serviert die deutsche Musikerin Stella Sommer. Nach vier Alben mit ihrer Band Die Heiterkeit und zwei Soloalben hat sie unglaubliche 24 Songs für ihr drittes Solowerk „Silence Wore A Silver Coat“ aufgenommen. Tatsächlich hatte sie diese aus insgesamt 60 Stücken ausgewählt. Ihre Kreativität war nicht zu stoppen, sodass es mindestens ein Doppelalbum werden musste.
Über dem Album liegt ein Schleier der Melancholie, die Musik zieht einen aber nicht runter. Sie nimmt einen an die Hand, spendet Trost und erhellt das Gemüt (siehe „From The Edge Of A Dream“). Sommer kann recht einfach gestrickte Balladen schreiben („Lily“, „Run Towards The Wasteland“) wie auch opulente Stücke („Selling Disappointnemt“). Egal, in welche Richtung sie stimmungstechnisch tendieren, sie sind immer voller Schönheit. Man fragt sich, welches Potenzial in den 36 nicht veröffentlichten Liedern schlummern mag.
Potenzial hat vielleicht auch ihre Veröffentlichungsstrategie: Nur die Singleauskopplungen sind bei den Streamingdiensten erhältlich, das ganze Album gibt es nur in physischer Form. Eine interessante Vorgehensweise – zumindest aus Sicht der Musikurheber, die vom Streaming-Tantiemen-Kuchen am allerwenigsten abbekommen.
Rating: 7/10
Die Engländerin Suki Waterhouse hat gleich mehrere Einnahmequellen. Sie ist als Model und Schauspielerin bekannt und war zuletzt in dem Horrorfilm „Seance“ und in dem Creation Records-Film „Creation Stories“ zu sehen. Im Mai erschien via Sub Pop Records ihr Debütalbum „I Can’t Let Go“. Nun folgt die EP „Milk Teeth“, auf der sie diverse Singles vereint, die nicht auf ihrem Album zu finden sind. Fünf der sechs Songs waren bereits zwischen 2016 und 2019 erschienen: „Valentine“ (2018), „Good Looking“ (2017), „Johanna“, „Coolest Place In The World“ (beide 2019) und ihre Debütsingle „Brutally“ (2016). Diesen voran steht der neue Song „Neon Signs“.
Die EP zeigt deutlich, wie sich Waterhouse von ihren Anfängen, die an Lana Del Rey erinnerten („Brutally“), hin zu einer eigenständigen Künstlerin entwickelt hat, die jetzt dank „Neon Signs“ einen exzellenten Indierock-Ohrwurm im Repertoire hat.
Rating: 7/10
Zum Schluss zwei Musikerinnen mit etwas anderer Musik und die wie Weyes Blood aus Portland stammen. Sängerin und Gitarristin Kat Keo und Schlagzeugerin Kim Coffel gründeten dort vor zwei Jahren das Duo Hoaxed. Seit letztem Jahr stehen sie bei Relapse Records unter Vertrag und veröffentlichten über das Extrem-Metal-Label ihr Debütalbum „Two Shadows“. Extrem ist ihre Musik aber nicht. Hoaxed machen sehr eingängigen Heavy Rock mit teilweise Synthesizer-Begleitung. Das wurde schon als Doom Pop, Doom Rock und Goth Rock bezeichnet; auf Instagram nennt es die Band selbst Dark Rock.
Es fällt schwer, den passenden Stempel zu finden, was – wie im Falle der ähnlich klingenden Unto Others – das große Plus dieser Band ist. Das andere ist die Fähigkeit von Keo und Coffel, Songs zu schreiben, die nicht nur eigenständig klingen, sondern auch hängenbleiben – beispielsweise „The Call“, „For Love“ oder „Grand Illusions“. Schade, dass es nur neun Songs und somit 28 Minuten sind. Es ist ein zu kurzes Vergnügen.
Rating: 8/10
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