Der Komfort auf den zwölf Schiffen, die täglich die alte Hafen- und Hansestadt Bergen mit Kirkenes, hoch oben über dem Polarkreis, verbinden, hat sich in den 125 Jahren zwar geändert, der Rhythmus der Fahrt, mit ihren 34 Anlaufhäfen, jedoch ist der gleiche geblieben.
Buntes Kreuzfahrtambiete sucht man vergeblich, selbst wenn der Passagierverkehr immer größer wird und alle möglichen Anstrengungen gemacht werden, um den Gästen die Zeit zu vertreiben.
Aussteigen können sie theoretisch in allen Anlaufhäfen, dabei ist jedoch zu bedenken, dass das Schiff auch nachts anlegt und die Stopps zum Teil kurz sind, weil dabei nur Waren ver- und entladen werden. Aber im Sommer wird es hoch oben im Norden ja nicht dunkel, sodass das keine Rolle spielt.
Im Vergleich zu seiner ursprünglichen Mission transportiert das Schiff heutzutage weniger Waren und vor allem weniger Post, weil alle kleinen Städte mittlerweile einen Flughafen haben. Die strammen norwegischen Winter legen diesen jedoch mitunter lahm und dann kommt das Postschiff wieder zum Einsatz. Es hält auch die Verbindung zwischen den einzelnen Städten aufrecht. Die Norweger steigen in einem Hafen zu und in dem nächsten wieder aus.
Die elftägige Reise beginnt in Bergen. Zwischen der Ankunft am Flughafen und der Abreise des Schiffes bleibt leider zu wenig Zeit, um sich die „Königin der Fjorde“ anzusehen. Es lohnt sich deshalb, einen Tag früher wegzufahren und somit Zeit für die 700 Jahre Geschichte der Stadt zu haben. Sieben Bergrücken geben der Ausfahrt der „Nordlys“ eine herrliche Kulisse. Sozusagen ein Appetithappen auf die Landschaften, die man bei einer Sommerfahrt, wo die Tage so lang sind, stundenlang genießen kann.
Seefest
In Alesund bekommt der Kreuzfahrer erstmals wieder festen Boden unter den Füßen. Die „Stadt des Jugendstils“ wurde nach einer katastrophalen Feuersbrunst von 1904 bis 1907 komplett neu aufgebaut. Vom Hafen ist es nur ein kurzer Weg in die Fußgängerzone und in die Altstadt. Oder über 418 Stufen auf den Alska, wo ein herrliches Panorama und ein leckerer Apfelkuchen die Anstrengung wettmachen.
Trondheim ist die nächste Etappe. In der heute stark expandierenden Technologie- und Universitätsstadt wartet wiederum eine historische Altstadt mit Speicherhäusern und dem spektakulären Nidarosdom, Nationalheiligtum und Krönungskirche der norwegischen Könige. Es ist der größte Sakralbau Skandinaviens und war im Mittelalter die bedeutendste Wallfahrtskirche des Nordens.
Zeit für den von den Studenten beliebten Fahrradlift bleibt keine. Die Benutzung dieses 1993 gebauten Liftes sei ohnehin auf Anhieb nicht zu schaffen, verrät der Chef des Expeditionsteams bei der Rückkehr aufs Schiff. Hier wartet jetzt ein „Tag auf dem Meer“. Unsere „Nordlys“ bedient zwar derweil sieben Häfen, die Liegezeit ist jedoch immer nur etwa eine Viertelstunde. Es bleibt also reichlich Zeit, sich warm eingepackt auf Deck zu installieren und die abwechslungsreiche Fjordlandschaft mit ihren unzähligen Inseln an sich vorbeiziehen zu lassen. Dabei wird auch die magische Schwelle des Polarkreises überquert. Gleich beim Frühstück werden die Kameras gezückt, die Linie ist durch das Modell einer Weltkugel gezeichnet.
Die nächste Etappe heißt Tromsø. Die Stadt nennt sich auch „Paris des Nordens“ und ist ideal zum Herumbummeln mit einem Besuch im Museum der Trolle. Sie sind ein wesentliches Stück der norwegischen Kultur, besonders in den Wintermonaten, wenn es gar nicht hell wird.
Politisch aktuell
Dann warten die Inselgruppen der Lofoten und Vesteralen mit ihren bunten Dörfern und engen Fjorden. Spektakulär ist die Fahrt durch den zwei Kilometer langen Trollfjord. Es ist zwar klirrend kalt, aber keiner der Passagiere gibt seinen Beobachtungsplatz am Bug des Schiffes auf.
Hier werden die größten Kabeljaufänge der Welt gemacht, in Svolvaer, der Hauptstadt der Lofoten, hängen die Filets an großen Trockengestellen, bevor sie in die ganze Welt exportiert werden. Natürlich gibt es beim Abendessen „Bacalhau“.
Wir kommen nach Honningvåg. Von hier aus geht es zum Nordkap, vorbei an den Rentierherden, die von der Volksgruppe der Sami gezüchtet werden. Der Nordkap steckt allerdings in einer dichten Wolkendecke, aus dem spektakulären Blick in 307 Meter Tiefe wird nichts. Bleibt nur der Besuch der Nordkaphalle mit ihren Erinnerungen an prominente Besucher – der thailändische König hat sogar einen eigenen Pavillon.
Und dann geht es nach Kirkenes, der nördlichsten Stadt Norwegens und Wendepunkt der Hurtigruten-Reise. Ihre Lage im Dreiländereck mit Russland und Finnland bereitet zurzeit Sorgen. Die Bewohner haben in der Regel ein ständiges Visa für Russland und die Nachbarn sind, besonders an den Markttagen, zahlreich präsent. Die Kimek-Werft lebt zu 80% von den russischen Schiffen, die hier gewartet und seefest gemacht werden.
Noch haben der Krieg in der Ukraine und die politische Haltung gegenüber Moskau das Leben nicht gebremst, die Einwohner wissen allerdings nicht, wie es weitergeht.
Kirkenes war die meist bombardierte Stadt Norwegens, die Deutschen praktizierten bei ihrem Rückzug das Prinzip der verbrannten Erde und zerstörten den Ort komplett. Das Grenseland-Museum gibt hierüber Auskunft, genau wie auch der Luftschutzbunker „Andersgrotte“. Der halbtägliche Ausflug ist jedoch schnell vorbei und dann heißt es schon wieder „alle Mann an Bord“. Es lohnt sich, denn heute Nacht ist die Mitternachtssonne angesagt. Sie geht um Punkt 0 Uhr an den Rand des Horizonts, leuchtet hell in die Kamera und steigt dann allmählich wieder hoch. Schlafen? Aber doch nicht bei diesem Schauspiel!
Erinnerungen
Unsere nächste Etappe, Vardo, ist Norwegens östlichster Hafen. Hier warten die Überreste eines alten Forts, vor allem aber ein beeindruckendes Denkmal zu Ehren von 91 Frauen, die im 17. Jahrhundert in dieser entlegenen Gegend als Hexen verbrannt wurden. Es wurde 2010 vom Schweizer Architekten Peter Zumthor erbaut, mit einer Arbeit der französisch-amerikanischen Bildhauerin Louise Bourgeois. Zehn Millionen Euro hat sich Norwegen dieses beeindruckende Denkmal kosten lassen.
Dann geht es nach Hammerfest, die nördlichste Stadt der Welt. Auch sie hat wegen der Politik der ,verbrannten Erde‘ im Zweiten Weltkrieg heute ein modernes Gesicht, umso mehr als sie von der Erdgasförderung durch die größte europäische Anlage lebt.
Am achten Tag an Bord der „Nordlys“ gibt es einen kurzen Zwischenstopp im Hurtigruten-Museum in Stokmarknes, wo die MS Finnmarken aus dem Jahr 1956 die Geschichte und Entwicklung der Postschiffe erzählt.
Kristiansund heißt die nächste Etappe, der sich das Schiff durch ein aus 80 Inseln bestehendes Archipel nähert. Es liegt auf vier Inseln, die über Brücken sowie ein Fährsystem miteinander verbunden sind. Hier beginnt unser letzter Ausflug. Durch einen fast sechs Kilometer langen Tunnel, 250 Meter tief unter dem Meer, geht es bis zur ebenso spektakulären wie malerischen Atlantikstraße. Es gibt sie seit 1989. 2005 wurde sie als technische Meisterleistung des Jahrhunderts ausgezeichnet.
In sanften Schwüngen und engen Kurven führt sie nach Molde, das seinen Namen ‘Stadt der Rosen’ dem relativ milden Klima verdankt, das hier noch Rosen wachsen lässt, obwohl sie eigentlich weiter südlich ihre Wachstumsgrenze haben. Es gibt hier auch Kastanien, Ahorn, Linden, Eichen, Rotbuchen und Eschen. Das verdanken sie einem Ausläufer des Golfstromes und der geschützten Lage am Fjord.
Und dann kommt irgendwann wieder Bergen in Sicht und damit das Ende der Reise.
@wd - Danke für den Tip! :-)
@Jill Dem kann ich mich nur anschließen, ich selbst durfte schon mehrmals Norwegen auf dem See und Landweg entlang fahren /durchqueren. Ein kleiner, zur Zeit sehr aktueller Tipp: das NORSK OLJEMUSEUM sollte man in Stavanger, neben dem Ölsardinen - Museum, unbedingt besuchen! Vor allem deshalb, weil man da u.a. erfährt, wie sinnvoll Norwegen seine Einnahmen aus dem Ölgeschäft für nachfolgende Generationen verwendet!
Wunderschönes, reiches und unabhängiges Land. Keine EU-, Euro- und Energiekrise. Danke für diesen tollen Reisebericht!