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Fake Statistics als politische Waffe

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Die Weltbank entschuldigt sich öffentlich bei Chile. Während der Amtszeit der sozialdemokratischen Präsidentin Bachelet rückte das Institut das südamerikanische Land absichtlich in ein schlechtes Licht.

Die Weltbank entschuldigt sich öffentlich bei Chile. Während der Amtszeit der sozialdemokratischen Präsidentin Bachelet rückte das Institut das südamerikanische Land absichtlich in ein schlechtes Licht. Wohl mit dem Ziel, dem konservativen Piñera den Weg an die Macht zu ebnen.

Von Armand Back

Während der Amtszeit der Mitte-links-Politikerin Michelle Bachelet ging es für Chile wirtschaftlich gesehen bergab. Im Ranking zur Unternehmerfreundlichkeit, das die Weltbank veröffentlicht, rutschte das Land von Rang 34 im Jahr 2014 auf den 55. Platz im vergangenen Jahr herunter. Ein wirtschaftliches Katastrophenszenario. Das Investitionsvolumen fiel 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent und damit auf das Niveau aus dem Jahr 2006.

„Politisch“ motiviert

Multimilliardär Sebastián Piñera, der bereits von 2010 bis 2014 Staatspräsident Chiles war (zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten erlaubt die chilenische Verfassung nicht), setzte im Wahlkampf auf Wirtschaftsthemen. In einem scheinbar innerhalb einer Amtsperiode von einer Sozialdemokratin heruntergewirtschafteten Land ein fruchtbares Terrain.
Im Dezember gewann Piñera die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen gegen den Kandidaten der sozialistischen Partei, Alejandro Guillier. Dieser war für die Koalition Nueva Mayoria angetreten, der auch die aktuelle Präsidentin Michelle Bachelet angehört (erst im März kommt es zur offiziellen Machtübergabe).

Alles ein auf den ersten Blick „normales“ politisches Szenario. Zumindest bis zum vergangenen Samstag. An diesem Tag äußerte sich der Chefökonom der Weltbank, Paul Romer, gegenüber dem Wall Street Journal. Und was Romer sagte, hat es in sich: Es war eine formelle Entschuldigung der Weltbank, die eigentlich Entwicklungsbank sein sollte, gegenüber einem souveränem Staat.

Romer gestand ein, dass die Weltbank durch „irreführende und ungerechte“ Änderungen der statistischen Methoden absichtlich ein düsteres Bild von der wirtschaftlichen Lage in Chile zeichnete. Die Motive zu dieser Vorgehensweise seien „politisch“ gewesen. Die Weltbank habe so den rechtskonservativen Kandidaten Piñera wieder ins Amt heben wollen – was schlussendlich ja auch gelang.

Und Romer legte nach. „Die wirtschaftlichen Bedingungen Chiles haben sich unter der Präsidentschaft Bachelets nicht verändert“, sagte Romer der US-Zeitung. Demnach sei es nicht die Politik der Noch-Präsidentin gewesen, die zu den schlechten Wirtschaftsdaten führte, wie die rechte Opposition im Wahlkampf behauptete, sondern der Wille der in Washington angesiedelten Weltbank, einem Institut, das den Vereinten Nationen untergliedert ist.

Erst der Anfang?

Nach der öffentlichen Entschuldigung Romers (der selber zu der Zeit noch nicht den Posten des Chefökonomen bekleidete) reagierten sowohl Bachelet wie auch Piñera. Bachelet schrieb auf Twitter, „diese Ranglisten, die internationale Institutionen führen, müssen glaubwürdig sein“, alleine wegen des Einflusses, das sie auf die wirtschaftliche Entwicklung haben. Angriffe gegen ihren Nachfolger im Präsidentenamt ließ Bachelet aus. Tatsächlich ist nichts über eine Verwicklung Piñeras in das Vorgehen der Weltbank bekannt, das er selber als „inakzeptabel“ bezeichnete.

Doch auch eine Neuberechnung von Chiles Wirtschaftsdaten bliebe nicht ohne negative Folgen – allerdings für andere Staaten. Sollte Chile in der Rangliste dann wieder steigen, würden andere Staaten automatisch schlechter eingestuft.
Hinzu kommt, dass bislang ungeklärt ist, ob Chile das einzige Land ist, in dem ein solcher Einfluss durch die Weltbank genommen wurde.