Sanft gleitet die Loire auf rund 800 Quadratkilometern quer durch Frankreich: entlang der Ufer zwischen Sully-sur-Loire im Westen und Chalons-sur-Loire im Osten des Hexagons. Auf seinem Weg dort durchquert der Fluss vier große Städte: Orléans, Blois, Tours und Saumur. Ihre Blütezeit erlebte die Region „Centre-Val de Loire“ (Zentrum-Loiretal) während der Renaissance, in diesem Jahr feiert sie 20. Jubiläum als „paysage culturel“ der Unesco. Früh erkannte die Region ihr kulturelles Erbe und verlieh ihm touristisch noch mehr Wert. Im Jahr 2000 war das Loiretal die erste „lebendige Kulturlandschaft“ Frankreichs, die in die entsprechende Sparte der Unesco-Welterbestätte aufgenommen wurde. Dadurch wurde einerseits der Schutz der Denkmäler und der gesamten Flusslandschaft gesichert, gleichzeitig brachte diese Aufnahme eine noch größere Sichtbarkeit für die Region außerhalb Frankreichs mit sich. Hauptstadt der zentralfranzösischen Region, südlich von Paris, ist Orléans.
Das Loiretal hat viele Gesichter: Sieben Königinnen und zehn Könige Frankreichs bestiegen im Château royal de Blois den Thron. François I. ist das Château de Chambord zu verdanken – das meistbesuchte Schloss im Loiretal. Auch der Einfluss der Medicis-Dynastie reichte aus Florenz bis ans Ufer der Loire. Durch die Heirat von Katharina von Medici mit dem französischen König Heinrich II. wurde aus der italienischen Prinzessin eine französische Königin. Von Medici ließ zwei der berühmtesten Loire-Schlösser erbauen – in Chenonceau und in Chaumont-sur-Loire. Und auch Leonardo da Vincis Spuren finden sich in der französischen Region wieder: Der italienische Bildhauer verbrachte seine drei letzten Lebensjahre in Amboise, wo er auf Einladung vom damaligen König Franz I. zum Hofmaler und -Architekten ernannt wurde. In der Kapelle des Château du Clos Lucé in Amboise fand Leonardo da Vinci seine letzte Ruhe.
Wer Schlösser sagt, sagt auch Kalktuff. Der Tuffstein prägt das Erscheinungsbild einiger der 15 Loire-Schlösser, darunter Chambord und Chenonceau.
Zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert entstanden in den Kalktufffelsen rund um die Städte Tours, Saumur und Angers die sogenannten „Höhlenwohnungen“. Das poröse Gestein war für Steinmetzer leicht zu bearbeiten und ermöglichte so die Entstehung von etwa 1.000 Kilometern Höhlenwohnungen und landwirtschaftlichen Räumen, die bis heute genutzt werden. Darüber hinaus spielt Kalktuff heute noch im Weinbau und bei bestimmten Pilzkulturen eine Rolle.
Land der Dichter und Denker
Die Sologne, ein Teil der Region Zentrum-Loiretal, gilt als die Wiege der französischen Sprache und des Denkertums. Honoré de Balzac, Marcel Proust, François Rabelais, René Descartes, Alain-Fournier, Georges Sand – alle diese Dichter und Denker prägten die Region über die Jahrhunderte.
Doch die Sologne, die sich zwischen den Departementen Cher, Loir-et-Cher und Loiret erstreckt, ähnelt mit einer Mischung aus Wald-, See- und Wiesenlandschaften einem Naturparadies. Vogelkundler können an den Seen Haubentaucher, den Großen Silberreiher sowie die größten Reiherarten in Europa bestaunen. Aus kulinarischer Sicht machte die Tarte Tatin die Region an der Loire berühmt. Der Kuchen aus Mürbeteig mit einem Belag aus karamellisierten Äpfel der Köchin Stéphanie Tatin ist bis heute das Aushängeschild dieser Natur geprägten Landschaft.
Auf zwei Rädern durchs Loiretal
Mit oder ohne elektrische Unterstützung – die Region per Rad zu erkunden, hat mehrere Vorteile. Zum einen bietet das dortige Fahrradnetz mit insgesamt 900 Kilometern ausgeschilderten und gesicherten Radwegen Abwechslung entlang kultureller und landschaftlicher Sehenswürdigkeiten. Zum anderen lässt sich das Fahrrad mit anderen Verkehrsmitteln, wie Schiff bzw. Boot, Bus und Zug, kombinieren. „Die Fahrpläne an Land und auf dem Wasser sind aufeinander abgestimmt“, erklärt Marc Richet, Generaldirektor des „Comité régional tourisme Centre-Val de Loire“, gegenüber dem Tageblatt. Im „Train Vélo Loire“ können Fahrräder kostenlos entlang der gesamten Radstrecke im Loiretal mitgenommen werden.
Eingestellt auf Radfahrer und ihre Bedürfnisse sind auch die rund 650 Gaststätten, Restaurants, Cafés, die am „Accueil Vélo“-Schild zu erkennen sind. Die Mitglieder in diesem Verbund bieten speziell auf Radfahrer abgestimmte Dienstleistungen: Sie haben an mindestens acht Monaten im Jahr zwischen 11.30 und 14.30 Uhr täglich geöffnet, bieten einen gesicherten Platz für die Fahrräder der Gäste sowie ein schnelles Mittagessen an. Außerdem füllen sie kostenlos die Wasserflaschen der Radfahrer auf. Darüber hinaus helfen die Gastronomen beim Aufladen von Fahrradakkus, bei kleineren Reparaturen sowie bei der Gestaltung der Route aus.
„Garten Frankreichs“
Der Spitzname der Landschaft kommt nicht von ungefähr: Schon in früheren Zeiten gestaltete der Mensch die Flächen entlang der Kanäle. Ab dem 16. Jahrhundert wurde das Loiretal unter italienischem Einfluss zur Referenz für Gartengestaltungskunst. Der Garten diente nicht mehr nur der Züchtung von Obst, Gemüse und Pflanzen zur Parfümherstellung, sondern wurde zu einem Designobjekt erhoben. Die Gartenbaukunst, die in den Schlossparks bis zur Perfektion weiterentwickelt wurde, brachte dem Loiretal seinen Spitznamen als „Garten Frankreichs“ ein.
Sehenswert in diesem Zusammenhang: „Jardins de Villandry“, die Parks des Château de Chenonceau oder des Château royal d’Amboise.
Nützliche Adressen:
www.valdeloire.org (Unesco-Weltkulturerbe)
www.loire-radweg.org
www.valdeloire-france.com/loire-chateaux (Schlösser im Loiretal)
www.sologne-tourisme.fr (Natur erleben in der Sologne)
www.vinsvaldeloire.fr (Weine des drittgrößten Weinanbaugebiets Frankreichs)
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