Medien können nerven. Das finden vor allem Europas Rechte. In mehreren Ländern wollen sie öffentlich-rechtlichem Radio und Fernsehen an den Kragen. In der Schweiz sind sie kürzlich gescheitert. In Ungarn hat Orban sein Ziel längst erreicht, Polen ist auf bestem schlimmsten Wege. Auch in Österreich mehren sich die Attacken. Die Alpenrepublik übernimmt im Juli die EU-Ratspräsidentschaft – und könnte als nächstes Land von dem von Brüssel propagierten europäischen Werteweg ausscheren.
Von Armand Back
In der Schweiz scheiterten die Rechten kläglich. Beim «No Billag» genannten Referendum stimmten nur knapp 30 Prozent der Schweizer für die Abschaffung der Rundfunkgebühren für das öffentlich-rechtliche Radio. Die Mühen der Regierungspartei SVP waren damit erst einmal vergebens. Die rechtspopulistische Partei, in der Medienunternehmer und Financier Christophe Blocher als Chef über allem thront, hatte für die Abschaffung der Gebühren getrommelt. Wären die Schweizer dem Trommeln gefolgt, es hätte das Ende des öffentlichen Rundfunks in der Schweiz bedeutet.
Drohung steht: «Werden Stellen streichen»
Auch in der anderen Alpenrepublik sind die Rechten auf Krawall gebürstet. Seit die rechtsextreme FPÖ Ende vergangenen Jahres von der konservativen ÖVP mit an die Machthebel gehievt wurde, mehren sich die Attacken auf den öffentlichen Rundfunk ORF. Doch nicht nur das. Parteinahe Funktionäre gelangen in Schlüsselpositionen.
Seit Donnerstag heißt der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats Norbert Steger. Steger, FPÖ-Minister unter Jörg Haider, ließ vor Kurzem ganz Österreich seine Meinung über den ORF wissen. Nach den Wahlen in Ungarn Anfang April sagte Steger gegenüber den Salzburger Nachrichten, «auch von den Auslandskorrespondenten werden wir ein Drittel streichen, wenn diese sich nicht korrekt verhalten». Wozu er als Stiftungsrat allerdings nicht befugt ist. Wenig später legte Steger im Kurier nach. «Manche Linke führen im ORF einen Endkampf», ließ sich der FPÖ-Mann dort zitieren, nun sei es an ihm, «mitzuhelfen, dass der ORF wieder objektiver wird». Worauf er als Stiftungsrat großen Einfluss nehmen kann.
Sicher auf seiner Seite kann Steger Vizekanzler Heinz-Christian Strache wähnen. Kurz vor Stegers Aussagen hatte der FPÖ-Chef den ORF allgemein bei einer öffentlichen Rede angegriffen: «Mich wundert es ja nicht mehr, wenn die Leute sagen: Dem ORF glaube ich nicht einmal mehr noch die Uhrzeit. Wollt ihr dafür wirklich noch Zwangsgebühren zahlen?» Und zusätzlich hat er dessen Anchorman Armin Wolf auf Facebook der Lüge bezichtigt, indem er ein bearbeitetes Foto postete, das Wolf mit ORF-Logo neben dem Satz «Es gibt einen Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden» zeigt.
Strache musste sich später öffentlich entschuldigen, Wolf hatte ihm mit einer Klage gedroht, der Schaden aber war längst angerichtet. Was Strache auf Facebook postet, flimmert erst über Hunderttausende Bildschirme, um anschließend noch von der Krone auf Papier gedruckt zu werden; die Boulevardzeitung erreicht ein Drittel der neun Millionen in Österreich lebenden Menschen.
Die Rechten in der Schweiz und in Österreich fühlen sich von öffentlichem Radio und Fernsehen unfair behandelt, sie sehnen sich nach mehr Heimat und weniger Kritik. Was sie aber zuvorderst wollen, ist Kontrolle. In Polen und in Ungarn ist solches Wunschdenken bereits Wirklichkeit. 2010 kam der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zum zweiten Mal an die Macht. Einer seiner ersten Schritte war es, sich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefügig zu machen. Wer kritisch berichtete, riskierte seine Karriere. Die Massenentlassungen aus der Zeit sprechen eine deutliche Sprache.
Ungarn und Polen zeigen den Weg
Die Folgen sind heute umso sichtbarer. Im April, kurz nach den Wahlen, erschien die letzte Ausgabe der einzig verbliebenen überregionalen Tageszeitung Ungarns, die nicht auf Regierungslinie berichtet. Lange vor der Magyar Nemzet stellte bereits die Népszabadság ihr Erscheinen ein. Die linke Zeitung war bis dahin die größte des Landes.
Die Gazeta Wyborcza erscheint zwar noch. Aber Polens rechtsnationale PiS-Regierung macht der regierungskritischen Tageszeitung das Überleben immer schwerer. Möglich wird das mit dem Mediengesetz, das die damals neue Regierung 2015 auf den Weg gebracht hatte. Seitdem entscheidet der Schatzminister über die Besetzungen der Toppositionen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Doch nicht nur das. Diese sind nun von Gesetzes wegen dazu verdonnert, den Patriotismus zu fördern.
Wie das geht, ließ sich während der Proteste gegen die Justizreform der Regierung im vergangenen Sommer beobachten. Hunderttausende demonstrierten friedlich – das staatliche Fernsehen berichtete von «Aggression und Gewalt». Der in den USA lebende jüdische Milliardär George Soros wurde beschuldigt, hinter den Protesten zu stecken (auch in Ungarn und Österreich greifen Rechte Soros immer wieder an und spinnen jüdische Weltverschwörungstheorien, indem sie von «gewissen Kreisen an der Ostküste» schwadronieren, die Europa mit Flüchtlingen überschwemmen wollten). Die Anführer der Proteste indes wurden als Pädophile verleumdet. Wie gesagt, all das im Staatsfernsehen.
Währenddessen bekommt die Gazeta Wyborcza (und einige andere mehr) keine Anzeigen mehr – weder von der Regierung noch von staatlichen Unternehmen. Die Gelder fließen nun fast gänzlich in regierungstreue Blätter. Die Gazeta Wyborcza, zweitgrößte Zeitung des Landes, geht leer aus. Jedoch ist sie es, die analysiert, was im Staatsfernsehen
an Überschriften so durch den News-Ticker geschickt wird. Die Beispiele reichen von «Polen ist eine Insel der Freiheit und Toleranz» über «Die Polen sind mit ihrer Regierung zufrieden» bis zu «Falsche Anschuldigungen der gesamten Opposition».
Begriffe wie «Staatsfunk» werden salonfähig
In Schweden haben die Rechtspopulisten die rechtsliberale Minderheitsregierung dazu gebracht, die Rundfunkgebühren abzuschaffen. Die Öffentlich-Rechtlichen werden dort nun aus der Staatskasse bezahlt, was eine ganz andere Einflussnahme möglich macht. Seit die AfD als größte Oppositionspartei im Bundestag sitzt, mehren sich auch in Deutschland Attacken gegen ARD und ZDF. Bezeichnungen wie «Staatsfunk» und «Zwangsgebühren» werden geläufig. Alles soll «schlanker» und «bürgernäher» organisiert werden. Um sich unbequeme Journalistenfragen bei Pressekonferenzen zu sparen, hat sich die AfD ein eigenes Sendezentrum im Bundestag einrichten lassen. Die dort produzierten Formate erreichen vor allem über Facebook Millionen Menschen.
Sich die Nachrichten selbst zurechtzulegen, die Message zu kontrollieren, das macht die FPÖ in Österreich schon länger. Auch sie dreht und schneidet ihre eigenen Filmchen und erreicht somit Millionen Menschen – alles frei von Einspruch, Gegenrede, anderen Argumenten. Zu sehen gibt es auch Internationales, etwa einen wohlwollenden Bericht zum Parteitag des französischen Front national.
Daran hat sich auch nichts getan, seit die FPÖ Regierungsverantwortung trägt. Die einzige Änderung ist die, dass Österreichs Rechtsextreme nun mehr Macht gegen und Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Medien haben. Anfang Juni stellen ÖVP und FPÖ ihre Pläne zu den Medien im Parlament vor. Dann wird deutlich, wie es mit dem ORF weitergeht. Anfang Juli dann übernimmt Österreich turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft.
Der Rest Europas ist gut beraten, ein Auge auf die Entwicklungen in Wien zu behalten. Ein weiteres Land, das die polnische oder ungarische Linie einschlägt, wird Brüssel nur schwer verkraften können.
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