Headlines

Viele Geständnisse, aber kein Täter

Viele Geständnisse, aber kein Täter
(dpa)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Schweden rätseln weiter über das "Jahrhundertverbrechen": Auch am 25. Jahrestag der Ermordung von Ministerpräsident Olof Palme ist kein Täter rechtskräftig verurteilt. Die Fahndung läuft immer noch.

Auch 25 Jahre nach der Ermordung Olof Palmes scheint kaum fassbar, wie simpel dieser Anschlag auf den berühmtesten Politiker der jüngeren schwedischen Geschichte abgelaufen ist: Am Abend des 28. Februar 1986 schauen sich der Ministerpräsident und seine Ehefrau Lisbet den Film «Die Brüder Mozart» in einem Stockholmer Kino an. Ohne Leibwächter spazieren sie durch die menschenleere Innenstadt nach Hause. Den Rest schildert der Biograf Henrik Berggren so: «Wenige Meter vor den Treppen zur U-Bahn, direkt vor einer großen Farbenhandlung, tauchte hinter ihnen ein Mann auf. Er schoss zweimal. Ein Schuss traf Olof Palme in den Rücken. Der zweite streifte Lisbet Palme. Der Mörder konnte fliehen.»

Seit Kriegsende hat die Schweden kein Ereignis so aufgewühlt wie dieses Attentat aus dem Nichts. Das juristisch auch im Nichts geblieben ist: Ein Vierteljahrhundert später ist niemand für den Mord verurteilt. Wobei der Palme-Biograf die Auffassung fast aller Experten wiedergibt, wenn er sagt: «Ich glaube schon, dass Christer Pettersson der Mörder war.»

Täter bereits verstorben

Der Kleinkriminelle Pettersson ist 2004 gestorben, drogenabhängig, verarmt, aber eben auch auf freiem Fuß. In erster Instanz war er 1989 als Palme-Mörder verurteilt, in der Berufung dann noch im selben Jahr wegen einer von zahllosen Fahndungspannen wieder freigesprochen: Polizisten hatten Palmes Witwe als einziger Zeugin bei der alles entscheidenden Gegenüberstellung einen Tipp gegeben, auf wen sie zweckmäßigerweise als Mörder ihres Mannes tippen solle.

Danach scheiterten alle Anläufe für ein neues Verfahren gegen Pettersson. Die Gründe sieht Polizeikommissar Stig Edqvist, verantwortlich für die auch nach 25 Jahren offiziell weiterlaufende Fahndung, in der Phase unmittelbar nach dem Anschlag: «Im ersten Jahr wurden einfach zu viele Fehler gemacht.»

Konspirationstheorien

So grotesk und teilweise unglaublich waren diese Fehler, dass wilde Konspirationstheorien reichlich Nahrung fanden. Erst sperrten in Panik geratene Polizisten den Tatort an der Ecke Sveavägan – Tunnelgatan nicht ab. Neugierige konnten nach Herzenslust Spuren zertrampeln. Eine Patronenhülse fand nicht die Polizei, sondern ein indischer Tourist, der sie brav ablieferte.

Die Tatwaffe, ein Revolver vom Typ Smith & Wesson, ist bis heute nicht aufgetaucht. Als fatal erwiesen sich für die Suche fantasiereiche aber komplett haltlose Mordtheorien des ersten Fahndungschefs Hans Holmér. Der ließ erst einen unschuldigen 33- jährigen Schweden festnehmen und erklärte den Fall für gelöst. Danach glaubte er fest, dass Exil-Kurden von der PKK den Palme-Anschlag ausgeführt hatten. Holmér setzte gewaltige Ressourcen für die «Kurden-Spur» ein und ließ alles andere links liegen.

«Super-Kommissar»

Eine Weile wurde der Fahndungschef in den Medien als entschlossen handelnder Super-Kommissar bejubelt. Man ließ ihm auch Gesetzesbrüche bei der Aufklärung des Jahrhundert-Verbrechens durchgehen. Dabei hatte der Jurist überhaupt keine Erfahrung in konkreter Fahndungsarbeit. Der wahrscheinliche Einzeltäter Christer Pettersson wurde trotz allerlei Hinweisen von Zeugen erst nach zwei Jahren für die Kripo interessant.

Nur ein Jahr später musste er dann durch den Fehler bei der Gegenüberstellung mit Lisbet Palme ein für alle Mal wieder abgeschrieben werden. Obwohl Pettersson mehrfach vor Freunden und, für Geld, gegenüber Medien den Mord gestanden hat. Aber das reicht nach schwedischem Recht ohne sichere technische Beweise oder Zeugen noch nicht mal für eine neue Anklage.

«130 Geständnisse»

«Wir haben seit 1986 fast 130 Geständnisse zum Palme-Mord gesammelt», seufzt Cheffahnder Edqvist. 225 Regalmeter Akten seien gesammelt, mehr als zum Kennedy-Mord, fügt er mit einem gewissen Stolz hinzu. Dass er Pettersson für den Mörder hält, darf er wegen des rechtskräftigen Freispruchs nicht laut sagen.

Immer mal wieder kommen neue oder angeblich neue Tipps herein. Wie vor wenigen Wochen, als serbische Geheimdienst- und Gangsterkreise nicht zum ersten Mal den Finger in Sachen Palme-Mord hoben. Immer mal wieder gab es Aufregung um angebliche Auftragskiller der Geheimdienste aus Ex-Jugoslawien, Südafrika, Israel, dem Chile der Pinochet-Ära und des CIA. Begründung: Palme hatte schließlich die US-Bomben auf Nordvietnam in den 70er Jahren mit den Untaten der Nationalsozialisten in Orten wie Treblinka und dem Stalinschen Massaker an polnischen Soldaten in Katyn verglichen.

Fahndung läuft

Edqvist und seine mal zwei, mal drei Kollegen in der «Palme-Gruppe» werden auch nach dem 25. Jahrestag des Mordes offiziell weiterfahnden. Die Verjährung für Mord nach 25 Jahren ist in Schweden seit letztem Jahr abgeschafft. Vielleicht findet sich ja doch noch mal die Mordwaffe mit einer DNA-Spur von Christer Pettersson.