Trotz der Zusage aus Damaskus sei der vom Sondergesandten Kofi Annan ausgehandelte Abzug aller schwerer Waffen aus Wohngebieten nicht erfolgt, sagte sein Sprecher Ahmad Fawzi am Dienstag in Genf. Das sei inakzeptabel, erklärte er. Annan habe den UN-Sicherheitsrat über die derzeitige Lage informiert und die syrische Regierung aufgerufen, dem Waffenstillstandsabkommen voll und ganz nachzukommen. Auch wisse Annan, dass es mit dem Eintreffen von UN-Beobachtern in den Konfliktgebieten zu kurzen Gefechtspausen komme. «Wenn sie da sind, schweigen die Waffen. Wir haben glaubwürdige Berichte, wonach der Beschuss wieder beginnt, wenn sie weg sind», erklärte Fawzi.
Er erwähnte auch Berichte, wonach Anwohner nach Gesprächen mit UN-Beobachtern von «syrischen Sicherheitskräften oder dem Militär angesprochen oder sogar vielleicht getötet» würden. So hatten Regierungstruppen nach Angaben von Aktivisten erst kürzlich in der Staat Hama nach einem Besuch von Inspektoren blutige Vergeltung geübt. Mindestens 33 Menschen seien getötet worden. «Das war die Bestrafung für die Menschen von Hama, weil sie gestern sehr tapfer waren, als sie die UN-Beobachter trafen», sagte der Aktivist Musab Alhamadee.
Zahl der Beobachter erhöhen
In anderen Gegenden werde das Blutvergießen hingegen unvermindert fortgesetzt. Deshalb müsse die Zahl der Beobachter schnell erhöht werden. Eine stärkere Präsenz der Vereinten Nationen könne die Dynamik der Situation vor Ort verändern.
Westliche Delegationen hatten sich Teilnehmern zufolge angesichts der fortdauernden Gewalt außerordentlich besorgt gezeigt. Besondere Verärgerung habe hervorgerufen, dass der syrische Außenminister Walid al-Muallim gegenüber Annan den Rückzug der schweren Waffen und Truppen als «abgeschlossen» bezeichnet habe, während sowohl Satellitenaufnahmen als auch eigene Berichte der UN-Beobachter das Gegenteil belegten.
Kämpfe gehen ungebremst weiter
Mitten in der Hauptstadt Damaskus detonierte am Dienstag eine Bombe, die in einem zivilen Geländewagen der Armee platziert worden war. Ein Krankenhausarzt sagte, der Fahrer des Wagens sei lebensgefährlich verletzt worden, als der Sprengsatz auf dem zentralen Al-Mardsche-Platz explodierte. Oppositionelle sprachen nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN von mindestens 35 Toten am Dienstag.
15 Soldaten sollen am Dienstag in der Provinz Idlib gemeinsam desertiert sein. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, ein hochrangiger Funktionär des Geheimdienstes sei in Damaskus ermordet worden. In dem Vorort Sajjida Zeinab habe es ein Gefecht zwischen den Regierungstruppen und Deserteuren gegeben. Seit Beginn des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad im März 2011 sollen mehr als 9.000 Menschen getötet worden sein.
Das Welternährungsprogramm (WFP) verteilt derzeit nach eigenen Angaben Nahrungsmittelhilfe an 100.000 Menschen in Syrien. In den kommenden Wochen soll die Hilfe 500.000 Menschen zugutekommen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Helfer Zugang zu den Bedürftigen erhielten, erklärte eine WFP-Sprecherin.
Annan kritisiert UN-Sicherheitsrat
In einer Rede in der schwedischen Lund Universität warb Annan unterdessen um eine breite internationale Unterstützung für die Beobachtermission in Syrien. Der Einsatz von Inspektoren bei Konflikten wie jenen in Syrien könne sonst letztendlich keine «Garantie für den Schutz vor Verfolgung» bieten, sagte er.
Annan äußerte sich anlässlich des 100. Geburtstags des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der durch seinen Einsatz zur Rettung ungarischer Juden während des Holocausts Bekanntheit erlangte. Die Weltmächte sollten nicht immer vor der Entsendung von Gesandten oder Beobachtern darauf warten, bis Konflikte eskalierten. Vor diesem Hintergrund übte Annan auch Kritik am UN-Sicherheitsrat. «Zu oft ist dessen Reaktion schwach oder nicht existent und dessen Aktionen nicht von Prinzipien, sondern von Politik und Selektivität getrieben», sagte er.
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