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«Mir si Lëtzebuerg an Amerika»

«Mir si Lëtzebuerg an Amerika»
( EDITPRESS/Jean-Claude Ernst)

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Auf Wirtschaftsmission in den USA besuchten Erbgroßherzog Guillaume und Erbgroßherzogin Stéphanie die Nachfahren Luxemburger Einwanderer.

Sonntag, 4000 Fuss über dem Mid-West der Vereinigten Staaten von Amerika: Schon der Blick aus dem Flugzeug lässt erkennen, dass das Land um Milwaukee, Wisconsin, ganz besonders fruchtbar ist. Ozaukee County, 1853 gegründet, 82.317 Einwohner, 3,4 % Arbeitslose, 1.116 Quadratmeilen. So groß wie das Großherzogtum.

Hierhin, an die Region des Michigan-Sees um Port Washington hat es Ende des 19. Jahrhunderts viele unsere luxemburgischen Landsleute verschlagen, welche vor der großen Hungersnot auf dem europäischen Kontinent flüchteten, um ihr Glück in der großen weiten Welt zu suchen. Nach Schätzungen von Historikern sollen es etwa 50.000 gewesen sein, welche zwischen 1850 und 1900 aus dem Großherzogtum wegzogen.

Wenige Habseligkeiten

Viele luxemburgische Pioniere haben mit ihrem Können dazu beigetragen, dass dieser Mittlere Westen der “Amérique profonde” zur Getreidekammer der USA werden konnte. Nach einer strapazenreichen Reise mit der Bahn von Luxemburg nach Antwerpen folgten nicht minder abenteuerliche Atlantik-Überquerungen mit Dampfern der Red Star Linie nach New-York.

In Ellis Island Immigration war Endstation. Nach der Entlausung mussten die Immigranten 30 Tage Quarantäne abwarten. Diejenigen, welche nach 30 Tagen noch krank waren, mussten nochmals 30 Tage ausharren. Falls keine Genesung eintrat, wurden sie gnadenlos nach Europa zurückgeschickt. Wenn nicht stand man mit etwas Glück nach 30 Tagen mit einigen wenigen Habseligkeiten auf der Straße in New-York, bekam “Good Luck” gewünscht und war ab dem Moment in der “Neuen Welt” im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ganz alleine auf sich selbst gestellt.

Ganz herzlich war der Empfang am Sonntag in den späten Abendstunden luxemburgischer Zeit in Belgium, Wisconsin, den die Nachfahren dieser luxemburgicher Einwanderer Erbgroßherzog Guillaume und Erbgroßherzogin Stéphanie bereitet hatten.

Wirtschaftsmission

Das erbgroßherzogliche Paar ist zur Zeit für eine Wirtschaftsmission in Begleitung von Vize-Premierminister Etienne Schneider in New-York und nutzte die Gelegenheit für einen Abstecher zu den ehemaligen und “noch” Landsleuten: viele von Ihnen haben einen luxemburgischen Pass beantragt.

In dem von Goerges Calteux initierten und vom Kulturministerium mitfinanziertem und ditaktisch übersichtlich gestaltetem Luxemburg American Cutural Society Center, welcher an eine restaurierte Scheune originaler luxemburgischer Bauweise angegliedert ist, lebt dann auch die Geschichte der luxemburgischen Immigration in Amerika wieder auf, als sei diese erst gestern gewesen.

Sichtlich bewegt erfuhren die Gäste aus Luxemburg, dass es der 1. Weltkrieg war, welcher bewirkte dass die Luxemburger in Amerika zu ihrer luxemburgischen Identität zurückfanden: man wollte nicht mehr mit deutschen Einwanderern verwechselt werde und distanzierte sich mit patriotischen Aktionen gegen die “Preisen”.

Erinnerung an Flüchtlinge

Hier stellvertretend nur einige Beispiele, man könnte deren Hundete aufzählen: Auch im Sport waren wir Top in Übersee: die Vorfahren der weltbesten Tennisspielerin Chris Evert stammen aus Beckerich, James Bausch aus Marion Junction, Dakota, gewann die Goldmedaille im Zehnkampf bei den Olympischen Spielen von LA.

Mathew Woll brachte es zum Vize-Präsidenten der allmächtigen “American Federation of Labour”, Dachorganisation der amerikanischen Gewerkschaften. Tragisch das Schicksal von Philip Weis aus Minnesota, Private im 26th Infantry: Nach der Befreiung 1944 besuchte er noch Verwandte in Insenborn. Kurze Zeit später, 6 Januar 1945, gilt er als “Missing in Action” während der Rundstedt Offensive. In den 80ern Jahren dann die Gewissheit, als seine Dog-Tags in dem Wald um Café Schuman bei Wiltz gefunden wurden.

Mit diesen und anderen Souvenirs leben sie heute, diese luxemburgisch-stämmigen Amerikaner und ihre Nachfahren. Leute von echtem Schrot und Korn. Ihre Lebensgeschichten erinnern uns, wie Erbgroßherzog Guillaume es in seiner Ansprache sagte, an die Wirtschaftsflüchtlinge von heute, welche nicht minder waghalsige Prüfungen auf sich nehmen, um ein besseres Leben zu führen.

«Monni in Amerika»

Unvergessbar wie der luxemburgische Akzent des amerikanischen Slangs in meinen Ohren klingt, mit dem hier in Belgium die ältere Leute noch ein gebrochenes Luxemburgisch sprechen. Und stoltz sind auf ihre Eltern und Grosseltern, deren Namen und Geburtsorte sie als Zeugen ihrer Identität immer und immer wieder wiederholen, als Merci und Ehrung ihrer Vorfahren gegenüber, welche es vor über hundert Jahren über den grossen Teich schafften und sich und ihrer Familie eine neue Heimat in der Ferne erschafften.

Was würden sie heute denken, die Schmitz, Lorgé, Birnbaum, Schanen oder die vielen anderen, deren Namen auf den Grabsteinen auf dem Dorf-Friedhof der St.Mary’s Church neben der Interstate Road Richtung Port Washington stehen, wenn sie wüssten, was heute aus Luxemburg in der Welt geworden ist? Wetten, dass sie verdammt houffreg drauf wären, “Lëtzebuerger an Amerika ze sinn”. Und die “Lëtzebuerger doheem”?

Fagen auf Fragen werden von meinen Gesprächsparnern gestellt. Kennen Sie diese und jenen Familien in Luxemburg ? Dürfte eigentlich kein Problem mehr sein im heutigen digitalen Zeitater mit der Familie aus Übersee in Kontakt zu treten, oder? Ich jedenfalls habe ganz unerwartet, und deshalb noch erfreulicher, während dieser Reportage die Spur meines “Monni in Amerika” gefunden.