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Heftige Kritik vom linken Flügel

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LUXEMBURG - Dominierendes Thema des Kongresses war die geplante Pensionsreform. Themen wie Atomenergie, Abtreibung oder öffentliche Finanzen kamen jedoch nicht zu kurz. Auch mit Kritik am Koalitionspartner CSV wurde nicht gespart.

Offiziell waren es 332 Delegierte, die sich am (sehr) frühen Sonntagmorgen in der Schifflinger Mehrzweckhalle eingefunden hatten. Die gesamte Palette der aktuellen nationalen und internationalen Probleme wurde diskutiert oder zumindest angesprochen. Zeigte der Kongress in den meisten Fragen Geschlossenheit, so war das beim Thema Pensionsreform nicht der Fall.

Drei Resolutionen

Einstimmig wurde der Initiativantrag der Parteileitung gutgeheißen, welcher einen europaweiten Atomausstieg fordert.

„Pour le bien-être dans une communauté solidaire“ ist der Titel der zweiten Resolution. Wohlbefinden basiere auf fundamentalen Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Sicherheit. Gleiche Chancen für alle, Kampf gegen jede Art von Diskriminierung und für sozialen Zusammenhalt bilden das Leitmotiv der LSAP auf lokaler, nationaler und gesellschaftspolitischer Ebene.
Der Kongress hieß unter anderem einen Abänderungsantrag der Jungsozialisten gut, die Reform der Monarchie ausdrücklich in der Resolution zu erwähnen.

Die „Femmes socialistes“ ihrerseits präsentierten eine Resolution zum Thema Abtreibung, in der sie sich für eine Fristenlösung einsetzen, wie sie es in unseren Nachbarländern gebe. Das Prinzip der Selbstbestimmung der schwangeren Frau müsse bewahrt bleiben.

Für den Parteipräsidenten Alex Bodry ist es eine notwendige Reform. Jedes Jahr, in dem nichts in dieser Sache unternommen werde, würden die nachfolgenden Generationen noch mehr belasten. „Wir haben die verdammte Pflicht, die Augen nicht vor der Realität zu verschließen.“ Das wollte niemand, doch es stellte sich heraus, dass nicht jeder in der LSAP das Problem gleichermaßen sieht.

Die geplante Reform sei eine Kapitulation vor den wirklichen Problemen, meinte Luc Mousel, Delegierter aus Koerich. Es zeuge nicht gerade von Solidarität, die zukünftige Generation mehr arbeiten zu lassen. In die gleiche Kerbe schlug der Monnericher Bürgermeister Dan Kersch.

Die geplante Reform sei höchstens ein Reförmchen. Dass sie im Interesse der Jugend sei, ist seiner Meinung nach eine sarkastische Darstellung, denn in Wirklichkeit müsse man mehr arbeiten, um vielleicht das Gleiche zu verdienen. Woher sollen denn noch mehr Arbeitsplätze herkommen, wenn der Stellenabbau in dem aktuellen Rhythmus weitergehe, und darüber hinaus Posten länger besetzt bleiben sollen?

Wo bitte sei das Problem, wenn man in Zukunft noch einen größeren Anteil vom Bruttoinlandsprodukt in das Sozialsystem investiere, fragte Kersch.

An der Realität vorbei

Die Präsidentin der Jungsozialisten, Taina Bofferding, gab zu bedenken, dass zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nun eine Generation befürchten müsse, schlechter dazustehen als ihre Vorfahren. Die Jusos seien gegen eine pauschale Anhebung des Rentenalters. Die „Entdeckelung“, also die Aufhebung der Beitragsobergrenze von derzeit fünfmal den Mindestlohn, wie sie auch von Gewerkschaftsseite gefordert wird, dürfe kein Tabu sein.

Heftige Kritik kam auch vom Gewerkschaftsfügel. Alain Mattioli vom OGBL stritt die Notwendigkeit einer Rentenreform nicht ab, lehnte sie in der vorliegenden Form allerdings ab. Die Argumente bezeichnete er sogar als Lüge. Er warf der Parteispitze vor, zu sehr nach den Regeln des Patronats zu spielen, welches dauernd mit falschen Zahlenbeispielen zu täuschen versuche. Die geplante Reform gehe an den Realitäten des Arbeitsmarktes vorbei. Die Grundfrage sei nämlich die, wie man Menschen länger auf ihren Arbeitsplätzen halten könne, wo sie doch schon oft mit 50 Jahren zum alten Eisen gehörten.

Er verstehe nicht, wieso ihm einerseits vorgeworfen werde, das Projekt sei zu vage, andererseits aber Details kritisiert werden, die noch nicht bekannt seien, verteidigte Sozialminister Mars di Bartolomeo seinen Reformplan. Die Partei soll keine Angst vor Reformen haben, welche sie selbst durchführe. Die Reform würde wesentlich schlechter ausfallen, wenn sie von einer anderen gemacht werde. Die Bezeichnung Lügner wies er von sich. Er werde aber mit seiner Arbeit aufhören, falls die Partei es verlange. Aber man solle sich dann später nicht beklagen. Der Minister konnte beruhigt sein: So weit ging niemand in seiner Kritik.

Als „Kabes“ bezeichnete der Minister die Behauptung, man wolle nur an einer Schraube drehen. Er versprach, dass es zu keinen Grausamkeiten kommen werde: Das Umlageverfahren stehe nicht zur Diskussion, das legale Pensionsalter werde nicht geändert, ebenso wenig wie das Prinzip 40-57 (40 Jahre Beitragszahlungen, mit 57 in Rente). Es sei jedoch eine reine Frage der Arithmetik, dass zukünftige Generationen wegen einer längeren Lebenszeit länger arbeiten müssten. Man könne diese Logik nicht leugnen, und Wahrheiten täten nun mal weh, so der Minister.

Und sonst noch …

Es drehte sich am Sonntagmorgen jedoch nicht alles um die Renten. Da es in Luxemburg nur zwei Wahlen gebe, kämen den Gemeindewahlen auch eine nationale Bedeutung zu, meinte Alex Bodry. Mit ihrem Moto „LSAP-Fir mech a meng Gemeng“ wolle die Partei dem Wähler klarmachen, dass bei ihr sowohl das kollektive wie auch das Einzelinteresse gut aufgehoben sei.

Was die rezente Kritik von Seiten des Koalitionspartners betreffe, so meinte Bodry, die CSV solle aufhören so zu tun, als besäße sie die absolute Mehrheit. Kritik übte er an der christlich-sozialen Haltung in Sachen Abtreibungsreform. Die CSV müsse den vielen Bedenken von mehreren Seiten Rechnung tragen.

Zur Reform im öffentlichen Dienst, insbesondere zum geplanten Bewertungssystem, meinte Bodry, ein solches System dürfe nur dort eingeführt werden, wo es auch Sinn mache. Bei der Gehälterreform müsse die Regierung der Öffentlichkeit klarmachen, warum die Reform nötig sei. Die größte Partei müsse wieder lernen, anderen zuzuhören und die eigenen Positionen besser zu belegen.

LSAP pariert nicht

Jean Asselborn ging in seiner Rede vor allem auf die internationale Lage ein, und verteidigte den Einsatz in Lybien, der nicht mit dem Irak-Krieg zur vergleichen sei. In Sachen nationaler Politik meinte der Vize-Premier, eine Regierung, die sich Reformen versperre, ignoriere die Realität. Dem Generalsekretär der CSV richtete er aus, er könne der LSAP „den Dicks riichten, an de Lentz dobäi“, aber die LSAP sei nicht darauf getrimmt, zu parieren, sondern zu verhandeln.

Fraktionpräsident Lucien Lux wies in seiner Rede darauf hin, dass Luxemburg trotz Problemen, wie z.Bsp. die Arbeitslosigkeit, in Sachen Produktivität z.B. an erster Stelle unter den 39 reichsten Ländern stehe. Kritik übte Lux am Nachhaltigkeitsministerium, aus dem wenig Vorschläge kämen. Vor einem Jahr hätten die beiden CSV-Minister angekündigt, fünf Gesetzesvorhaben stünden kurz vor der Fertigstellung.

Bis dato liege noch kein einziges vor. In nur zwei Jahren habe Nicolas Schmit im Arbeitsministerium z.B. mehr geleistet als seine (CSV-)Vorgänger in 30 Jahren. Die CSV solle besser vor der eigenen Türe kehren, anstatt die LSAP zu kritisieren.