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Gaddafi lässt Zivilisten bewaffnen

Gaddafi lässt Zivilisten bewaffnen
(dpa)

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Der libysche Machthaber Muammar al Gaddafi lässt nach Angaben von Einwohnern in Tripolis regimetreue Zivilisten bewaffnen, um gegen Demonstranten vorzugehen. Währenddessen tagt der UN-Sicherheitsrat.

In den Straßen der Hauptstadt patrouillierten zahlreiche Zivilisten, wie Einwohner am Samstag telefonisch berichteten. Sie sollten Kontrollstellen errichten und gegen Regierungsgegner vorgehen.

Der UN-Sicherheitsrat beriet am Samstag weiter über Sanktionen gegen das libysche Regime. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach sich wenige Stunden vor der Sondersitzung gegen mögliche UN-Sanktionen gegen Libyen aus. Unter Strafmaßnahmen hätte vor allem die Bevölkerung zu leiden, nicht das Regime von Gaddafi, sagte Erdogan. Der internationalen Gemeinschaft warf er vor, aus Sorge um die Ölreserven des nordafrikanischen Landes zu handeln, nicht wegen des Leids der Menschen.

Rasche Sanktionen gefordert

Einige Länder dringen angesichts der blutigen Auseinandersetzungen in Libyen auf rasche Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sollte möglichst rasch scharfe Sanktionen gegen Tripolis verabschieden, zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron am Samstag einig.

US-Präsident Barack Obama unterzeichnete bereits am Freitag einen Erlass, wodurch die in den USA vorhandenen Vermögen Gaddafis, dreier seiner Söhne und seiner Tochter sowie weiterer Regierungsangehöriger eingefroren werden.

Regime-Anhänger bewaffnen

Gaddafi hatte am Freitag angekündigt, die Waffendepots zu öffnen, «sodass alle Libyer und Stämme bewaffnet werden». Während einer Rede in Tripolis rief er Anhänger auf, die Demonstranten zu bekämpfen und «die Nation zu verteidigen». Protestierende Regierungsgegner gerieten am Freitag bei den ersten größeren Demonstrationen in Tripolis seit Tagen in einen Kugelhagel.

Am Samstag blieben die meisten Einwohner der Hauptstadt aus Furcht zu Hause. Die Mehrzahl der Geschäfte war geschlossen, vor geöffneten Bäckereien bildeten sich Schlangen von Menschen, die sich mit Vorräten eindecken wollten.

Gaddafi-treue Milizen auf Patrouille

Ein 40-jähriger Geschäftsmann sagte, er habe gesehen, wie Anhänger Gaddafis in eines der Hauptquartiere der regierungstreuen Revolutionskomitees eingedrungen seien und Waffen herausgeholt hätten. Das Regime biete jedem ein Auto und Geld, der drei weitere Leute aufbiete, um für Gaddafi zu kämpfen. «Sie bewaffnen sie, damit sie in der Stadt umherfahren und Menschen terrorisieren», sagte der Geschäftsmann.

Andere Bewohner berichteten von Lastwagen voller Zivilpersonen mit automatischen Waffen, die in ihren Stadtvierteln patrouillierten. Darunter seien viele junge Männer mit grünen Armbinden oder Kopftüchern als Zeichen ihrer Verbundenheit zum Regime.

Zentrum der Macht

Tripolis ist nach wie vor das Zentrum des schwindenden Machtbereichs Gaddafis. Regierungsgegner haben nach eigenen Angaben die Kontrolle in Städten entlang der Osthälfte des rund 1.600 Kilometer langen bevölkerungsreichen Küstenstreifen Libyens übernommen. Doch auch in der Westhälfte des Landes regt sich weiter Widerstand.

Regierungstreue Truppen blockierten am Samstag den Zugang zum Stadtviertel Tadschura in Tripolis. Bewohner fällten Palmen, um Straßenbarrikaden zu errichten und verteilten Felsen und Schutt auf den Straßen, um ihr Viertel zu schützen.

Gegenoffensive durch Regierungstruppen

In den von Regierungsgegnern kontrollierten Städten Sauija und Misrata sind bei Gegenoffensiven regimetreuer Truppen mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen. Mit Panzerunterstützung versuchten sie den von Regimegegnern und übergelaufenen Militäreinheiten gehaltenen Luftwaffenstützpunkt bei Misrata, rund 200 Kilometer östlich von Tripolis, zurückzuerobern.

Bei den Gefechten seien seit Donnerstag mindestens 25 Menschen ums Legen gekommen, berichtete ein Einwohner der Stadt. Die Regierungstruppen hätten einen Teil des Militärgeländes erobert, aber die Stadt und große Teile des Areals würden noch von der Opposition gehalten, hieß es. Im Zuge der Kämpfe wurden auch ein Brigadegeneral des Heeres und ein Regierungssoldat gefangen genommen. Das libysche Staatsfernsehen bestätigte die Gefangennahme, sagte aber, er sei von einer terroristischen Bande entführt worden.

«Rückkehr des Friedens»

Gaddafis Sohn Saif al Islam sagte in Tripolis eingeladenen ausländischen Journalisten, dass es in Tripolis keine Opfer gegeben habe und die Hauptstadt ruhig sei. «Alles ist friedlich», sagte er. «Der Frieden kehrt in das Land zurück.» Das Regime wolle mit der Opposition verhandeln. Es gebe noch zwei kleinere Probleme in Misrata und Zawiya. Dort habe man es mit Terroristen zu tun, sagte er. Aber er habe Hoffnung, eine friedliche Lösung zu finden.

Bis zum Samstag wurden mindestens 16.000 chinesische und 15.000 türkische Arbeiter sowie 1.400 Italiener aus Libyen in Sicherheit gebracht, die meisten von ihnen Beschäftigte in der Bau- und Ölindustrie. Viele der Chinesen kamen mit Schiffen auf der griechischen Insel Kreta und in Malta an. Von dort sollten sie in ihre Heimat weiterfliegen.

Außerdem flüchteten nach Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon 22.000 Menschen über die Grenze nach Tunesien und 15.000 Menschen nach Ägypten. Es gebe zahlreiche Berichte, wonach die Flüchtlinge mit Gewehren und Messern bedroht worden seien, sagte Ban. Viele, die es über die Grenze schafften, hätten von schrecklichen Erlebnissen berichtet.