Nach anfänglichen Bedenken hat die EU-Kommission die Finanzierung eines ungarischen Atomkraftwerkes genehmigt, das mit massiver russischer Hilfe errichtet werden soll. Die Staatsbeihilfen für die beiden Reaktoren seien vereinbar mit dem EU-Recht, weil Ungarn «bedeutende Zugeständnisse» zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gemacht habe, teilte die Kommission am Montag in Brüssel mit.
Umweltverbände verurteilten die Entscheidung. Österreich drohte mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
Die Hälfte der ungarischen Stromproduktion
Die beiden Reaktoren des Projekts Paks II sollen vier bestehende Meiler ersetzen, die noch aus den 1980er Jahren stammen und rund die Hälfte der ungarischen Stromproduktion erzeugen. Das Bauvorhaben mit einem geplanten Umfang von insgesamt 12,5 Milliarden Euro sollte nach ursprünglichen Planungen 2018 beginnen. Der erste der beiden Reaktoren soll 2023 in Betrieb gehen.
Russland und Ungarn hatten dazu im Januar 2014 ein Abkommen geschlossen, wonach Moskau Budapest bis zu zehn Milliarden Euro leiht und damit rund 80 Prozent der Baukosten für die Erweiterung des Atomkraftwerks Paks finanziert. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte aber im Februar bei einem Besuch in Budapest gesagt, Moskau sei auch zu einer Finanzierung zu hundert Prozent bereit. Die alten Verträge sollten entsprechend geändert werden.
Keine Ausschreibung
Der Auftrag für die beiden neuen Reaktoren war schon zuvor an den russischen Staatskonzern Rosatom vergeben worden. Weil dies ohne Ausschreibung erfolgte, hatte die Kommission zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Dieses wurde aber im November eingestellt.
Zu den Staatsbeihilfen hatte die Kommission im November 2015 erklärt, sie habe «Bedenken, dass diese Investition entgegen der Beteuerungen Ungarns nicht zu marktwirtschaftlichen Bedingungen erfolgt». Ungarn sicherte laut Kommission nun zu, dass Profite aus dem Betrieb von Paks II nicht in den Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten gesteckt werden, Paks II von einer eigenen Gesellschaft betrieben wird und mindestens 30 Prozent des erzeugten Stroms an der Strombörse verkauft wird.
Das «völlig falsche Signal»
Die Entscheidung der Kommission stieß auf scharfe Kritik bei Umweltverbänden und Politikern. «Österreich hat absolut kein Verständnis, wenn die EU-Kommission Subventionen für den Bau von Atomkraftwerken einfach als unbedenklich einstuft», sagte Österreichs Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner der Nachrichtenagentur APA. Dies sei das «völlig falsche Signal». Wien werde daher rechtliche Schritte prüfen «und gegebenenfalls den Europäischen Gerichtshof anrufen», sagte der Vizekanzler.
Österreich hatte 2015 bereits gegen Staatshilfen für den Ausbau des britischen Kernkraftwerks Hinkley Point geklagt. Die Atomexpertin der Grünen im Deutschen Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, sprach von einem «Kniefall der EU-Kommission vor der Atomlobby». Ein Sprecher von Greenpeace Ungarn kündigte in Budapest an, gegen die Zulassung des Projekts zu klagen, weil es mehrere Umweltrichtlinien verletze. Die ungarische Mitte-links-Oppositionspartei Demokratische Koalition kritisierte, das Projekt «steigert unsere Abhängigkeit von Russland und bürdet ungarischen Familien auf Jahrzehnte hinweg Schulden auf».
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