Im UN-Sicherheitsrat soll am Donnerstag nach wochenlangen Verhandlungen die Entscheidung über ein Flugverbot in Libyen fallen. Vor allem die Franzosen drängen auf eine Abstimmung, um Diktator Muammar al-Gaddafi seine wichtigste Waffe im Kampf gegen die Rebellen aus den Händen zu nehmen. Der Ausgang ist aber völlig offen, zumal die fünf ständigen der 15 Sicherheitsratsmitglieder ihr Veto einlegen können. Gaddafi selbst schließt unterdessen nach militärischen Erfolgen seiner Truppen siegesgewiss einen Dialog mit den Regimegegner aus.
Trotz sechsstündiger Beratung hinter verschlossenen Türen hatte sich das mächtigste UN-Gremium am Mittwoch noch nicht auf ein Flugverbot und weitere Sanktionen einigen können. Eine entsprechende Resolution wurde zwar diskutiert, auf ein gemeinsames Papier konnten sich die 15 Mitglieder, darunter Deutschland, aber nicht einigen. Allerdings gibt es einen vom Libanon im Namen der Arabischen Liga eingebrachten und von Großbritannien und Frankreich unterstützten Resolutionsentwurf. Das Papier fordert «die Einrichtung einer Zone, in der zum Schutze der Zivilisten alle Flüge unterbunden werden».
«Abstimmungsreifes Papier» von Frankreich
Der Sicherheitsrat war den Text am Mittwoch Absatz für Absatz durchgegangen. Ein gemeinsamer Entwurf konnte aber nicht gefunden werden. Dennoch haben die Franzosen angekündigt, am Donnerstag ein abstimmungsreifes Papier vorzulegen. Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, wollte sich nach der Sitzung nicht festlegen. «Wir wollen ein breites Maßnahmenpaket, um die Zivilisten zu schützen, Gaddafis Morden zu stoppen und dem libyschen Volk zu ermöglichen, seine Zukunft selbst zu entscheiden.»
Nach wie vor gibt es bei einigen Ländern Bedenken gegen ein Flugverbot, andere scheinen von ihrer früheren Zustimmung abzurücken. Auch Deutschland geht zunehmend auf Distanz.
Gefahr von «Völkermord»
Ohne ein sofortiges Flugverbot droht nach den Worten von Libyens Vizebotschafter Ibrahim Dabbashi ein Völkermord. «Gaddafi hat den Verstand verloren. Er greift mit Kampfflugzeugen Zivilisten in dichtbewohnten Städten an», sagte er in New York. Dabbashi hatte sich vor einem Monat von Gaddafi losgesagt. «Wenn die Weltgemeinschaft nicht sofort handelt, dann wird es einen furchtbaren Völkermord geben.»
Gaddafi sagte der französischen Zeitung «Le Figaro» (Donnerstagsausgabe) über die Aufständischen, die er erneut als Agenten des Terrornetzwerkes Al Kaida bezeichnete: «Das sind nicht die Leute, mit denen man einen Dialog in Betracht ziehen kann». Die Rebellion nannte er «ein Komplott gegen das libysche Volk». «Meine Sorge ist es , die Bevölkerung von den bewaffneten Banden, die Bengasi besetzen, zu befreien.» Es sei sehr gut möglich, dass diese Rebellen Zivilisten töteten und dies dann der libyschen Armee anhängen wollten.
Gaddafi: «Keine Opposition»
Gaddafi leugnete, dass es überhaupt eine Opposition gebe. Alle Demonstrationen, die augenblicklich zu sehen seien, seien von den Massen organisiert, die ihn unterstützten, sagte der Machthaber. Mit dem Einsatz von Gewalt würden seine Truppen nur einen Tag brauchen, um die Kontrolle über das Land wieder zu erlangen. Jedoch wollten sie unter Einsatz unterschiedlicher Mittel die «bewaffneten Banden schrittweise zerschlagen», sagte der Diktator.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte einen sofortigen Waffenstillstand in Libyen. Die Kämpfe müssten umgehend gestoppt werden, sagte der UN-Chef unter Bezug auf «Hinweise», dass ein Angriff auf Bengasi bevorstehe, die Hochburg der Opposition gegen Gaddafi. «Die Bombardierung eines so dichtbewohnten Zentrums gefährdet eine hohe Zahl von Zivilisten», sagte der Koreaner.
Einsatz gegen Zivilisten
Die Offensive der Gaddafi-Truppen gegen die libyschen Rebellen, die die östliche Landeshälfte beherrschen, geriet indes ins Stocken. Der frühere Innenminister Abdulfattah Junis, der sich den Rebellen angeschlossen hat, sagte im Nachrichtensender Al-Arabija, die «Revolutionäre» hätten in Adschdabija am Vortag Dutzende Soldaten getötet und Dutzende weitere gefangen genommen.
Die strategisch wichtige Stadt 160 Kilometer südlich der Rebellenmetropole Bengasi lag am Mittwoch unter Geschützfeuer. Nach Rebellenangaben wurde außerdem die westliche Stadt Misurata von drei Seiten mit Panzern und Artillerie beschossen. Den Regimetruppen sei es aber bislang nicht gelungen, in die Stadt einzudringen. In der belagerten Stadt 210 Kilometer östlich von Tripolis seien inzwischen Wasser und Strom ausgefallen, berichteten Bewohner.
Rotes Kreuz zieht nach Tobruk
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verlegte aus Sicherheitsüberlegungen seine Mitarbeiter aus Bengasi ins weiter östlich gelegene Tobruk. In der IKRK-Mitteilung wurden die Konfliktparteien erneut aufgefordert, Rücksicht auf Zivilisten und medizinisches Personal zu nehmen.
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