Mehr als zehn Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hat das «Jahrhundert-Verfahren» gegen die fünf mutmaßlichen Hauptverantwortlichen begonnen. Zum ersten Mal seit mehr als drei Jahren erschienen am Samstag der mutmaßliche Drahtzieher Chalid Scheich Mohammed und vier Mitangeklagte vor einem US-Militärsondergericht im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba. Darunter ist Ramzi Binalshibh, der zur Hamburger Zelle um den Todespiloten vom 11. September, Mohammed Atta, gehörte.
Die Angeklagten:
Chalid Scheich Mohammed:
Die einstige «Nummer drei» im Terrornetzwerk Al-Kaida gilt als Drahtzieher der Anschläge und hat das auch zugegeben. Auch andere terroristische Verbrechen soll «KSM» – die englische Kurzform für seinen Namen – gestanden haben. Kritiker weisen darauf hin, Mohammed sei während Verhören schwer gefoltert worden. Er kam 1964 oder 1965 in Kuwait auf die Welt, sein Vater soll aus der pakistanischen Provinz Baluchistan stammen. In den 1980er Jahren studierte er in den USA, wo er angeblich einen Abschluss als Ingenieur erwarb.
Ramzi Binalshibh:
Der Jemenit wohnte in Hamburg zusammen mit Mohammed Atta, dem Anführer der Todespiloten vom 11. September. Der heute 40-Jährige soll einer seiner engsten Vertrauten gewesen sein. In der Hamburger Terrorzelle soll Binalshibh als Organisator und «Bankier» fungiert haben. Nach Überzeugung der US-Regierung ist er einer der Mitverschwörer der Terroranschläge. Angeblich sollte er ursprünglich bei den Flugzeugentführungen dabei sein, bekam aber kein Visum für die USA.
Ali Abdel Asis Ali:
Der in Kuwait aufgewachsene Mann soll die Flugzeugattentäter mit Geld versorgt haben. Er ist mit Scheich Mohammed und dem Drahtzieher des Anschlags von 1993 auf das World Trade Center, Ramsi Jussef, verwandt. Jussef war im November 1997 zu einer Freiheitsstrafe von 240 Jahren verurteilt worden.
Mustafa Ahmed Al-Hausawi:
Auch der Mann aus Saudi-Arabien soll den Flugzeugterroristen Geld beschafft haben. Kurz nach den Anschlägen soll er unter anderem Al-Kaida-Chef Osama bin Laden getroffen haben. Er sagte im Prozess gegen den Franzosen Zacarias Moussaoui (43) aus, der im Mai 2006 als Mitverschwörer der Anschläge vom September 2001 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.
Walid Bin Attasch:
Er soll die Todespiloten unterstützt und in direktem Kontakt mit ihnen gestanden haben. Nach Angaben des Pentagon hat er auch die Planung des Anschlags auf das US-Kriegsschiff «USS Cole» im Oktober 2000 im Jemen zugegeben, bei dem 17 US-Soldaten getötet wurden. Zudem soll er seine Beteiligung an den Terrorangriffen auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im August 1998 mit 230 Toten gestanden haben. Angeblich unterstützte Attasch die Attentäter unter anderem mit gefälschten Stempeln und Visa. Zeitweise soll er Leibwächter von Osama bin Laden gewesen sein. (Quelle: dpa/Tageblatt.lu)
Im Mittelpunkt der eintägigen Prozedur sollte die Verlesung der Anklage gegen die Männer stehen, denen im Falle eines Schuldspruchs die Todesstrafe droht. Neben Mohammed und Binalshibh müssen sich Ali Abdel Asis Ali, Mustafa Ahmed al-Hausawi und Walid bin Attasch verantworten. Zu den Anklagepunkten zählen Terrorismus, Flugzeugentführung, Verschwörung, Mord, Angriff auf Zivilisten, vorsätzliche schwere Körperverletzung und Zerstörung von Eigentum. Bei den Anschlägen waren fast 3000 Menschen ums Leben gekommen.
Provokationen vor Gericht
Mit dem Beginn des Hauptverfahrens wird frühestens im nächsten Jahr gerechnet. In der Zwischenzeit werden zahlreiche Anhörungen erwartet, unter anderem darüber, welche Beweise in dem Prozess zugelassen werden sollen.
Journalisten sowie Angehörige der Opfer der Anschläge konnten das Verfahren in Guantánamo sowie via Video auf dem US-Militärstützpunkt Fort Meade (US-Staat Maryland) verfolgen. Gleich zum Auftakt der Prozedur am Samstag zeigte sich, wie kompliziert und langwierig das Militärtribunal werden dürfte.
Angeklagte verweigern Beteiligung
Gestritten wurde zunächst über korrekte Kleidung. Außerdem weigerten sich Scheich Mohammed – mit langem Bart und in weißem Gewand – und andere Angeklagte, die zur Übersetzung dienenden Kopfhörer zu tragen. Auf die ersten direkten Fragen des Richters James Pohl antworteten die Angeklagten mit Schweigen.
Nach seiner Festnahme im Jahr 2003 war Scheich Mohammed zunächst in einem geheimen CIA-Gefängnis festgehalten worden. Laut 2009 veröffentlichten Dokumenten des Geheimdienstes wurde er allein im März 2003 183 Mal dem «Waterboarding» unterzogen – einem simulierten Ertränken. Geständnisse unter dem Einfluss von Folter dürfen in den Militärtribunalen nicht verwendet werden.
Verfahren im zweiten Anlauf
Mohammed hatte zwar auch später – nach seiner Überstellung ins Lager Guantánamo – in Anhörungen seine Rolle bei den Anschlägen vom 11. September und bei anderen Terroraktionen zugegeben. Aber Kritiker der Militärtribunale meinen, dass durch die vorausgegangene Folter das gesamte Verfahren «vergiftet» worden sei und den Standards eines demokratischen Rechtsstaates widerspreche. Bereits im Vorfeld des Verfahrens hatten sich Verteidiger der Angeklagten auch darüber beschwert, dass ein Teil der Korrespondenz mit ihren Mandanten von Pentagon-Beauftragten gelesen worden sei.
Das Militärtribunal gegen die Fünf war schon einmal – im Jahr 2008 – angelaufen, damals noch unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush. Dann hatte sein demokratischer Nachfolger Barack Obama nach seinem Amtsantritt 2009 aber zunächst alle anhängigen Sondergerichtsverfahren in Guantánamo Bay ausgesetzt. Im vergangenen Jahr gab er grünes Licht für eine Wiederaufnahme, damit mussten die Verfahren ganz neu beginnen.
Bei der ersten Anklageverlesung hatte Scheich Mohammed erklärt, dass er die Todesstrafe erhalten wolle. Es sei seit langem sein Wunsch, als Märtyrer zu sterben, sagte er damals als Wortführer der Mitangeklagten. Aus Kreisen der Verteidiger der Fünf verlautete aber vor dem Auftakt am Samstag, dass sich die Männer dieses Mal nicht schuldig bekennen, sondern sich verteidigen wollen.
Zu Demaart





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