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Die ganze Welt in einem Büro auf Findel

Die ganze Welt in einem Büro auf Findel
(Reuters)

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Vor 31 Jahren gegründet, ist das Logistik Unternehmen Expeditor heute eines der größten der Welt. Von Seattle aus umspannt es den Globus und ist neuerdings auch in Luxemburg vertreten.

Das Haus ragt nicht heraus aus der Menge der Hochhäuser in der dritten Avenue von Seattle. In Nummer 1015 führt der Aufzug in die 12. Etage. Hier ist der Sitz von Expeditors International. Eine Rezeptionistin empfängt und registriert. Die Assistentin von Jordan Gates führt in einen Konferenzraum, in dem das Gespräch mit der Nummer drei eine Logistik Konzerns stattfinden soll, der rund um den Globus mehr als 13.000 Mitarbeiter verzeichnet und für einen Umsatz von 6,1 Milliarden Dollar steht.

Jordan Gates ist Präsident des Unternehmens, Mitglied des Verwaltungsrates, und gleichzeitig der Geschäftsführer des Konzerns. Er ist für das tägliche Geschäft aber auch für Strategiefragen zuständig und überschaut heute ein Unternehmen, das 1981 auf einer Serviette ins Leben gerufen wurde. In 31 Jahren hat es 189 Büros rund um den Globus gegründet und verfügt mit seinen Satellitenbüros über 250 Stützpunkte in der Welt.

Klare Aufgabe

«Wir haben keine Flugzeuge, wir haben keine Schiffe. Aber wir wissen, wie wir für unsere Kunden Transportprobleme lösen können und für sie Waren und Güter von einem Ort zum anderen transportieren lassen können,» sagt Gates im Gespräch mit Tageblatt.lu

Das im Jahre 1981 gedachte Prinzip war einfach. Ein Unternehmen sollte der Ansprechpartner für alle Transportprobleme der Kunden sein. Das Unternehmen sollte darüber hinaus alle Probleme mit den Behörden regeln, mit dem Zoll zum Beispiel, sollte auch dafür sorgen, dass die zu transportierenden Waren versichert würden und sollte möglicherweise auch für die Verteilung der Waren sorgen. Und das immer mit dem Prinzip der Logistik: Selber nicht transportieren, sondern das Wissen des Unternehmens einsetzen, um die beste Lösung für den Kunden zu finden.

Einfache Idee

Wenn man in Seattle sitzt, einer der wichtigsten Pazifik Häfen an der US-Westküste von der dritten Avenue im Auge hat, wenn man in Seattle über so viele Flughäfen verfügt, wie sonst wohl keine andere Stadt in den USA, scheint die Idee nahe gelegen zu haben. Sie lag quasi auf der Straße. Jemand musste sie nur aufheben. Peter Rose, und James Wang hoben sie auf. Als sie in einen kleinen Spediteur in Seattle eintraten, begannen sie unter dem Namen Expeditors, Waren aus Asien in die USA transportieren zu lassen und sie in den USA zu verteilen. Sie verfügten 1981 über drei Büros in Asien und in den USA. Das brachte eine Spezialisierung auf die Luftfracht mit sich.

Die Ausweitung des Geschäftes führte nach und nach zu einem weltumspannenden Netz. Jordan Gates, der die Entscheidung zur Eröffnung eines Büros in Luxemburg vertritt, hat an der internationalen Ausbreitung seiner Gruppe tatkräftig mitgearbeitet. Gates ist Europa Spezialist. Er hat in Deutschland gearbeitet, hat an der skandinavischen Ausweitung der Firma mitgewirkt und war in London tätig. «Wir sind in Europa sehr breit aufgestellt. Wir brauchen wegen des Güterumschlages die Europäische Union,» sagt er. «Wir sind in Frankfurt vertreten, haben zwei Büros für Skandinavien, sind auch in der Schweiz, in den Niederlanden und in Belgien». In London hat Expeditors International gerade ein großes Warenlager in Betrieb genommen. Was Gates nicht sagt, aber aus dem Geschäftsbericht hervorgeht, ist, dass Europa für das Unternehmen mit 2.280 Mitarbeitern nach den USA und Asien/Pazifik der drittwichtigste Markt ist.

Sehr diskret

Gates, der wie alle Mitglieder des Managements nach außen sehr diskret auftritt, trat 1991 als Controller für Europa ein und machte seine Karriere durchgehend in der Firma. Fotos gibt es von ihm, wie auch von den anderen Mitgliedern des Managements, nicht. Der Geschäftsbericht des Unternehmens enthält keine Abbildung der Vorstandsmitglieder oder der Mitglieder des Verwaltungsrates.

Es gibt eine Reihe von Eigenschaften bei Expeditors International, die den Erfolg des Unternehmens ausmachen, erzählt Jordan. Die eine liegt darin, dass jedes Büro für seinen eigenen Erfolg verantwortlich und als Profit Center organisiert ist. Der wesentliche Punkt aber ist der der Transparenz. «Wir haben zu einer Zeit angefangen, als die Informatik in das Leben der Unternehmen trat und das Innenleben beeinflusste,» sagt Gates. «Es war ein glücklicher Moment. Wir haben diese Informatik so genutzt, dass heutzutage jedes Büro in der Welt alles über alle Aufträge und über alle Probleme weiß. Wir sind eine Gemeinschaft von über 13.000 vernetzten Mitarbeitern. Auf diese Weise können wir die Probleme unserer Kunden lösen und ihnen helfen. Wenn jemand ein Problem für einen Kunden hat und über die integrierte Informatik unseres Konzerns an einem anderem Ort dafür eine Lösung existiert, dann können wir über unsere integrierte Informatik dem Kunden möglicherweise eine überraschende Lösung bieten. Die Transparenz des Systems macht unsere Stärke aus. Jeder, egal ob in Denver oder in Düsseldorf arbeitet mit demselben System.» Expeditors hat dabei der Versuchung der Auslagerung der Informatik widerstanden. In Seattle arbeiten alleine 600 Informatiker für das Unternehmen. Das ist das Herz des Unternehmens.

Absolute Dienstleistung

Ein anderes Prinzip ist das der absoluten Dienstleistung. «Der Kunde steht immer und grundsätzlich im Vordergrund und ist Kern aller Bemühungen,» lautet das Credo von Expeditor International. «Sie glauben nicht, wozu wir fähig sind», heißt der Wahlspruch des Unternehmens. «Wenn man solch einen Wahlspruch hat, dann heißt das, dass wir auch die nötige Firmenkultur haben. Das heißt, wir antizipieren auch für den Kunden. Wir versuchen zu erkennen, was der Kunde als Logistik Leistung braucht. Und wenn wir dabei erkennen, dass der Kunde mit einigen wenigen Umstellungen viel besser arbeiten kann, dann beraten wir und restrukturieren auch, wenn der Kunde das will,» sagt Gates.

Sechs Mitarbeiter von Expeditors International sitzen im Gebäude von Luxair Cargo auf dem Findel. Sie sind zum Teil von Belgien nach Luxemburg gekommen und bleiben in einer ersten Zeit auch Belgien zugeordnet. Was machen sie? «Unsere Kunden kommen, aus der Industrie, aus der Elektronik, aus der Dienstleistung, aus dem Warenhaus-Sektor,» sagt Gates, der sich in Europa auskennt. «Das finden wir in Luxemburg nicht». Luxemburg hat aber in seinen Augen in Europa eine andere Aufgabe. Die zentrale Lage lasse zu, dass man aus Luxemburg ein Verteilzentrum mache. Die Verkehrsinfrastruktur sei hervorragend. Gates meint auch, dass sein Unternehmen wegen seiner Kontakte nach Asien für den Chinapark in Lothringen eine wichtige Rolle spielen kann. Er glaubt nicht, dass der Flughafen von Lothringen dabei im interkontinentalen Luftverkehr eine Rolle spielt, verrät er.

Standort Luxemburg

Bei der Analyse der luxemburgischen Situation geht Gates davon aus, dass die sechs Mitarbeiter sich mehr und mehr in das Logistiksystem einschalten und Luxemburg bei Logistikfragen einen Platz einräumen werden, sodass für Expeditors International Luxemburg mit der Zeit tatsächlich ein Hub werden kann. «Mit unseren transparenten Informationssystemen wird die Gruppe das Land bei Aufträgen und bei Problemlösungen ins Spiel bringen,» zeigt Gates sich sicher. Gates weiß dabei aber auch, dass das nicht von heute auf morgen geschehen kann, sondern Zeit braucht. Andererseits hat das Unternehmen in der Vergangenheit immer nur dort Büros aufgemacht, wo sich tatsächlich auch Geschäfte entwickelt haben.

Expeditors International zeichnet sich durch eine besondere soziale Verantwortung aus, die in den USA selten ist. Das Unternehmen gibt Jugendlichen eine Chance, die nach dem Gymnasium nicht studieren wollen oder aus finanziellen Gründen nicht können. Es bildet sie aus, genauso wie es Jugendlichen hilft, die zeitweise aus der Bahn geworfen wurden. Solche Jugendliche bilden einen großen Teil der Beschäftigten in den USA. Das ist eher eine europäische, denn eine amerikanische Auffassung. Das Unternehmen bekennt sich aber dazu, weil es meint, auch eine gesellschaftliche Aufgabe zu haben und hat die soziale Verantwortung zu einem der Pfeiler seiner Philosophie gemacht.

Andere Denkweise

Gates sieht für die Entwicklung seines Unternehmens aber auch eine Tendenz, die den Welthandel nicht mehr nur noch in die Richtung Asien – Europa und umgekehrt laufen lässt. «China ist eine riesige Produktionswerkstätte,» sagt er. «Wir müssen sehen, dass die Warenströme zunehmend auch innerasiatisch verlaufen, weil der Handel zwischen den Staaten Asiens stärker wird. Der inner-asiatische Markt entwickelt sich», sagt er.

Diese Erkenntnis birgt für Luxemburg eine Gefahr. Das Land hat, insbesondere unter dem Einfluss der Cargolux sehr auf die Autobahn Asien – Luxemburg gesetzt. Frühere Gedanken, die Cargolux in Asien oder oder in Arabien mit einem Strandbein zu installieren, sind nie verwirklicht worden. Das könnte sich für die Cargolux und Luxemburg nun rächen. «Die Tendenz zu einem inner-asiatischen Transport-Markt ist eine Herausforderung für Logistiker», gibt Gates zu. Mit anderen Worten: Europa muss sich darauf einstellen, dass Warenströme an ihm vorbeilaufen und muss daran arbeiten, sie in den alten Kontinent umzuleiten.

Expeditors International trifft in Luxemburg auf Konkurrenz, die von der US-Firma klar identifiziert ist. Mitbewerber im Markt werden Kühne & Nagel sein, Schenker oder auch Panalpina. Gates geht davon aus, dass sein Unternehmen nicht mit ihnen kooperieren wird. Die Partner von Expeditors werden andere sein, wie etwa Cathy Pacific, China Eastern, United Airlines, Delta, Lufthansa und Cargolux. Die sechs Personen, die für Expeditors in Luxemburg arbeiten, lassen aber möglicherweise neben der großen, weiten Welt auch eine andere Kultur und eine andere Denkweise des Geschäftslebens in das Luxair Cargo Gebäude am Flughafen Findel einziehen.