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Barroso: EU-Kommission reicht schon

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EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat Spekulationen über einen Euro-Austritt Griechenlands zurückgewiesen. In Straßburg hat er am Mittwoch die Schaffung einer Wirtschaftsregierung abgelehnt.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat angesichts der Schuldenkrise in der Euro-Zone zu einer grundlegenden Erneuerung Europas aufgerufen. Ziel müsse es sein, eine Union der Stabilität und Verantwortung, des Wachstums und der Solidarität zu schaffen, erklärte Barroso am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg.

Finanztransaktionssteuer

Über eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte wird seit Jahrzehnten diskutiert – jetzt hat die EU-Kommission ein Konzept beschlossen. Die Idee einer «Finanztransaktionssteuer» geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler brachte 1972 eine Steuer auf alle grenzüberschreitenden Devisenspekulationen ins Spiel. Er schlug damals eine Abgabe von einem Prozent vor.

Vor allem Globalisierungskritiker fordern seit Jahren eine Spekulationssteuer – sie sprechen von 0,1 bis 0,25 Prozent. Die Idee dieser «Tobin-Tax» war auch einer der zentralen Gedanken bei der Gründung des Netzwerks «Attac»: Die französische Abkürzung für «Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger».

Im Zuge der schweren Wirtschaftskrise, die auf die Pleite der US-Großbank Lehman Brothers im September 2008 folgte, flammte die Debatte über eine Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise wieder auf. Im Herbst 2009 stand die Steuer beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) auf der Tagesordnung, beschlossen wurde sie damals aber – einmal mehr – nicht.

Jetzt will die EU-Kommission eine Finanztransaktionssteuer durchsetzen. «Diese Steuer kann 55 Milliarden Euro jährlich einbringen», sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch. Die EU-Staaten hätten seit Beginn der Finanzkrise 4,6 Billionen Euro vor allem als Garantien für den Finanzsektor zur Verfügung gestellt – «es ist jetzt an der Zeit, dass der Finanzsektor einen Beitrag zur Gesellschaft leistet.»

Die dringend notwendige stärkere Integration der Währungsunion dürfe nicht über die EU-Institutionen hinweggehen. Barroso forderte zudem, den Euro-Rettungsfonds EFSF so effizient wie möglich einzusetzen. Der permanente Nachfolge-Mechanismus ESM müsse früher als bisher geplant in Kraft treten.

«Griechenland bleibt Mitglieder der Eurozone»

Allen Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion hielt Barroso unter großem Applaus entgegen: «Griechenland ist und bleibt ein Mitglied der Euro-Zone.» Das Land müsse seine Zusagen erfüllen und kontraproduktive Praktiken beenden. «Aber das ist kein Sprint, das ist ein Marathon», ergänzte Barroso. Um das Wachstum zu stützen, treibt die EU derzeit über eine Task Force gemeinsam mit den griechischen Behörden die Auszahlung der noch ungenutzten 15 Milliarden Euro aus EU-Strukturfonds voran.

Barroso zufolge sollen auch die Banken in Griechenland mit Geldern aus den Fonds über einen Garantiemechanismus gestützt werden, so dass sie die Wirtschaft wieder mit Krediten versorgen können.

«Kommission ist Wirtschaftsregierung der EU»

In seiner Rede zur «Lage der Union» rief Barroso die Euro-Länder erneut dazu auf, bei ihrer engeren Integration keinen Weg ohne eine starke Rolle der EU-Kommission zu beschreiten. «Die Kommission ist die Wirtschaftsregierung der Union, wir brauchen sicher nicht noch mehr Institutionen dazu.» Die Währungsunion müsse eine wahre Wirtschaftsunion werden. «Es war eine Illusion, zu glauben, dass wir eine gemeinsame Währung und einen Binnenmarkt haben können mit nationalem Herangehen an die Wirtschafts- und Haushaltspolitik.» Deshalb sei eine rein zwischenstaatliche Lösung der falsche Ansatz.

Deutschland und Frankreich forderten nach der jüngsten Verschärfung der Euro-Krise eine Wirtschaftsregierung für die Euro-Zone. Kommission und Europäisches Parlament befürchten, dass sie eine neue Struktur allein der Euro-Staaten aufbauen. Die Kommission werde einen Plan zu einer stärkeren Integration der Euro-Zone im Rahmen des bestehenden EU-Vertrages vorlegen, kündigte Barroso an. Er hält eine Vertragsänderung für notwendig. So ist Barroso dafür, das Einstimmigkeitsprinzip der Mitgliedstaaten – wie es etwa in der Steuerpolitik gilt – aufzugeben. Es könne nicht länger der langsamste Staat das Tempo diktieren.

Finanztransaktionssteuer

An diesem Prinzip dürfte der von der Kommission am Mittwoch verabschiedete Gesetzentwurf zu einer Finanztransaktionssteuer für die gesamte EU scheitern. Denn die Nicht-Euro-Staaten Großbritannien und Schweden lehnen diese ab. Barrosos Kritik am drohenden Alleingang der Euro-Länder fand im Parlament viel Beifall. Sozialdemokraten und Grüne, die den Kommissionspräsidenten in Debatten sonst gerne heftig angehen, begrüßten, dass er die Gemeinschaftsmethode verteidigen wolle.

Es drohe eine Patchwork-Demokratie, bei der die Länder nicht mehr in Gemeinschaftsgeist entschieden und die innenpolitische Taktik kleiner Regierungsparteien wichtiger sei als die Stabilität des Weltwährungssystems, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Martin Schulz. «Wir haben es mit einem Rückfall in die Hauptstadtdiplomatie zu tun, die Europa an den Rand des Zusammenbruchs führt.»