Bald kursiert auf sozialen Netzwerken ein Video, in dem ein Mann vor dem Schnellrestaurant auf offener Straße das Feuer auf Passanten eröffnet. Menschen fliehen in Panik, in die Schusssalven mischen sich Schreie. Die Polizei spricht später von mindestens neun Toten und einer «akuten Terrorlage» – viele Einzelheiten der Attacke bleiben aber zunächst unklar. Zeugen melden bis zu drei Schützen in der Umgebung des Einkaufszentrums, sie sollen mit Gewehren auf der Flucht sein. Die Polizei fahndet im gesamten Stadtgebiet, am Himmel schwirren über Stunden Polizeihubschrauber. Mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten patrouillieren in den Straßen, auch die Spezialeinheit GSG9 beteiligt sich an dem Einsatz. Busse und Bahnen stellen den Verkehr ein, der Hauptbahnhof wird geräumt, Ärzte müssen zum Notdienst in die Krankenhäuser.
München ist im Ausnahmezustand. Auf den am Freitagabend stets verstopften Ausfallstraßen der bayerischen Landeshauptstadt leeren sich die Fahrspuren. Wo sonst Verkehrslärm zu hören ist, übertönt nun mehrere Stunden lang der Klang von Martinshörnern alles. Derweil versuchen Familien und Freunde, über die sozialen Netzwerke Informationen vom gegenseitigen Verbleib zu erhalten. «Ich zittere nur fürchterlich vor Angst», schreibt eine Mutter per Whatsapp, nachdem sie mit ihrer Familie eilig in Angst vor den fliehenden Tätern das Sommerfest ihrer Grundschule verlassen hat. Diese befindet sich nur ein paar Busminuten vom Tatort entfernt.
«Terrorverdacht»
Die Behörden fordern die Bürger über das Smartphone-Warnsystem Katwarn auf, ihre Wohnungen nicht zu verlassen und öffentliche Plätze zu meiden. Die unübersichtliche Lage befeuert Gerüchte, gerade auch über Facebook und Twitter. Meldungen über eine weitere Schießerei in der Münchner Innenstadt stellen sich als falsch heraus – es gibt wohl nur den einen Tatort am Olympia-Einkaufszentrum. Die Behörden bitten die Bevölkerung, sich auf den sozialen Netzwerken mit Spekulationen zurückzuhalten. Die Polizei spricht zwar von einem «Terrorverdacht», macht aber deutlich, dass es zunächst keine Hinweise auf einen möglicherweise islamistischen Hintergrund gebe.
Am Abend teilt ein Polizeisprecher mit, dass bei einem der neun Toten eine mögliche Tatbeteiligung geprüft werde. Auf einem Handyvideo, das offenbar von einem Zeugen ins Netz gestellt wurde, soll ein mutmaßlicher Schütze auf dem Dach eines Parkhauses des Einkaufszentrums zu sehen sein. Der Mann trägt dunkle Kleidung und liefert sich ein Wortgefecht mit dem vom Balkon filmenden Zeugen, unter anderem sind die Ausrufe «Ich bin Deutscher» und «Bin hier geboren worden» und «Hartz-4-Gegend» zu hören. Dann fallen Schüsse, das Bild macht einen verwackelten Schwenk, der Filmer geht in Deckung. Auch die Politik schaltet am Abend in den Krisenmodus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird nach Angaben ihres Kanzleramtschefs Peter Altmaier (CDU) «fortlaufend unterrichtet». Am Samstag soll das Bundessicherheitskabinett tagen, die zuständigen Minister machten sich laut Altmaier auf dem Weg nach Berlin. In einer ersten Reaktion erklärt Bundesregierung, ihre Gedanken sei bei den Opfern des schrecklichen Angriffs. «Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir keine voreiligen Stellungnahmen und Spekulationen abgeben wollen und können.»
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