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Cleveland am Rande des Parteitags

Cleveland am Rande des Parteitags
(Justin Lane)

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Rund um die Halle fühlt sich der Parteitag der US-Republikaner wie ein Jahrmarkt an.

Es ist kurz vor zwölf, als Geert Wilders vor den Bildern halbnackter Männer steht und von den Gefahren des Islam erzählt. Leidenschaftlich warnt der niederländische Rechtspopulist sein Publikum in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio davor, die Grenzen zu öffnen. Und er verspricht, im Fall seines Wahlsieges in den Niederlanden im nächsten Frühjahr genauso durchzugreifen wie der Mann, auf dessen Erfolg hier alle hoffen: Donald Trump.

Die Stimmung ist aufgeheizt in dem hell erleuchteten und schmucklosen Veranstaltungsraum einer Uni-Mehrzweckhalle, einige hundert Meter entfernt vom Nominierungsparteitag der Republikaner. «Geert! Geert! Geert!», rufen sie hier beim «Wake-Up!»-Event. Ausgerichtet wird der Abend von Milo Yiannopoulos und Pam Geller, zwei unklar zwischen Selbstdarstellung und Verschwörungstheorie verorteten Galionsfiguren der neuen Rechten.

«Geert! Geert! Geert!»

Die Kunst bei dieser Party am Rande des Parteitags stammt von einer ursprünglich satirisch gemeinten Online-Initiative namens «Twinks for Trump», bei der leicht bekleideten Schwulen Zitate in den Mund gelegt werden, warum sie Trump gerne als ihren «Daddy» hätten.

Die Szenerie ist also reichlich absurd – und damit durchaus repräsentativ für den Irrsinn, der vier Tage lang in der
400 000-Einwohner-Stadt im Nordosten der USA herrscht. Ein Riesenzirkus gastiert hier zwischen Alarmismus, Spektakel und entspanntem Happening.

Wie ein heimeliger Jahrmarkt

In den guten Momenten fühlt sich diese Convention außerhalb der Halle wie ein heimeliger Jahrmarkt an: Die Sonne strahlt über der Stadt am Eriesee, ein Doppelgänger von Ex-Präsident Abraham Lincoln posiert mit den Touristen in der East 4th Street vor dem Parteitagsgebäude. Straßenmusiker spielen Funk, bei den bisher sehr zivilen Protesten wird getrommelt, ein Verkäufer schreit «Eiskaltes Wasser!» und zieht eine Kühlbox hinter sich her.

Neben ihm stehen wie an Dutzenden anderen Orten der Innenstadt Händler mit Werbeartikeln für Trump. Zu ihrem Angebot zählen die berühmte rote «Make America Great Again»-Baseballkappe, Donald-Trump-Plastikfiguren mit Wackelkopf oder unzählige Unterstützer-Buttons.

«Make America Great Again»

Doch wer auf die vorbeiziehenden Passanten blickt, erkennt schnell die größten Verkaufsschlager: Anti-Clinton-Artikel. Nicht «Hillary for President» heißt es auf dem vielleicht beliebtesten T-Shirt, sondern «Hillary for Prison 2016». Stolz präsentiert wird hier also die immer wieder vorgebrachte Forderung, dass die designierte Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten für ihre zahlreichen Skandale hinter Gitter gehöre.

Wer es nicht als Delegierter in die Halle schafft, geht auf eine der Dutzenden Veranstaltungen in der Stadt. Das Angebot reicht vom katholischen Gottesdienst bis hin zum liberalen Comedynachmittag mit arabischstämmigen Gag-Erzählern. Am ersten Tag zieht besonders eine Kundgebung an «Settlers Landing» die Zuschauer an, einer Bootsanlegestelle am Cuyahoga River, dem in den Eriesee mündenden und etwas vernachlässigtem Fluß an der Grenze von Downtown Cleveland und einem Industriegebiet.

«America First Unity Rally»

Die «America First Unity Rally» darf hier nun doch ausgerichtet werden, nachdem einer Klage stattgegebenen wurde. Mehrere Stunden Trump-Propaganda werden geboten, inklusive einer Countrysängerin, die beherzt davon schmettert, wie bereit sie sei, Amerika wieder «groß» zu machen – das alles vor rund 200 Zuhörern und noch einmal genauso vielen Medienvertretern.

Trotz Versicherungskosten von mehr als zehn Millionen Dollar für den Fall etwaiger Schäden durch Proteste lohnt sich der Aufwand für die Stadt, die zuletzt 1936 das Spektakel ausrichtete. Rund 50.000 Gäste hat man im Vorfeld erwartet, darunter 15.000 Journalisten. Knapp 200 Millionen Dollar soll beispielsweise Tampa in Florida am Nominierungsparteitag 2012 verdient haben, heißt es auf der Webseite der Veranstaltung.

Dass den Offiziellen vielleicht aber doch klar ist, dass dieser Zirkus nicht nur gute Seiten hat, zeigt auch eine Veranstaltung, die für das Wochenende vom 29. bis 31. Juli angesetzt ist, also eine Woche, nachdem die Politikkarawane wieder abgezogen ist. Dann gibt es für Einwohner der Stadt eine «Community Thank You Party» des Organisationskomitees zur Wiedergutmachung aller Unnannehmlichkeiten auf dem örtlichen Marktplatz.