Emmanuel Macron hat bislang auf seinem Weg an die Schaltstellen Frankreichs zur richtigen Zeit das Richtige getan. Er hatte die Stimmung im Land und den Zustand des französischen Politikbetriebs richtig eingeschätzt und daraus die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Nachdem er Präsident geworden ist, dürfte er nun auch die nötige Mehrheit in der Nationalversammlung erhalten, die es ihm erlaubt, sein Programm umzusetzen.
Ein Teil seines Erfolges ist mit dem Erneuerungsprozess zu erklären, den herbeizuführen Macron den Wählern versprochen hat. Ein anderer Teil geht auf die Politikverdrossenheit zurück, die die traditionellen Parteien bei den Wählern ausgelöst haben.
Macron hat sich mit nur knapp einem Drittel der Wähler Aussicht auf eine Mehrheit im Parlament verschafft, die ihm fast absolutistische Macht verleiht. Dank eines Wahlsystems, das eine stabile Mehrheit zum Nachteil einer ausgewogeneren Repräsentation des Wählerwillens begünstigt, wird seine Bewegung La République en Marche über Gebühr Gewicht im Palais Bourbon haben. Zumindest, wenn die aus der ersten Wahlrunde hervorgehenden Projektionen eintreffen werden.
Besondere Aufmerksamkeit wird, angesichts der Rekordenthaltung in der ersten Wahlrunde, am kommenden Sonntag vor allem auch der Wahlbeteiligung geschenkt werden. Zu erwarten wäre, dass sich mehr Wähler an der zweiten Runde beteiligen als am vergangenen Sonntag, da hier doch die eigentlichen Entscheidungen fallen. Es ist aber davon auszugehen, dass sich am 18. Juni viele Franzosen mit dem gleichen Argument ihrer Stimme enthalten werden wie am vergangenen Sonntag, nämlich dass die Wahl ohnehin bereits zugunsten Macrons entschieden ist.
Der Präsident kommt somit in eine Situation, in der er über viel Macht, aber nicht unbedingt viel Unterstützung aus dem Volk verfügt. Die neue Nationalversammlung wird damit zwar nicht an Legitimität verlieren. Der Präsident wird jedoch darauf Rücksicht nehmen müssen, will er seinem selbst erklärten Ziel, die Dinge besser zu machen und die politische Kultur im Lande zu erneuern, gerecht werden.
Hinzu kommt – auch dafür kann der neue Präsident nichts, doch muss er darauf achten –, dass er quasi ohne parlamentarische Opposition wird regieren können. Nicht nur ist diese zahlenmäßig schwach. Die Oppositionsparteien werden darüber hinaus die kommenden Monate, wenn nicht gar Jahre, damit beschäftigt sein, sich wieder zu ordnen. Diese Lücke dürfte von anderen Kräften gefüllt werden, vor allem von den Gewerkschaften.
Es ist daher zu erwarten, dass ein Teil der Oppositionsarbeit auf der Straße über die Bühne gehen könnte. Es sei denn, der Präsident sucht die Zusammenarbeit mit den Vertretern der Beschäftigten, aber auch anderen Repräsentanten der Zivilgesellschaft. Die Erwartungen an den neuen Präsidenten sind enorm. Das zeigen trotz allem seine Wahlresultate. Dementsprechend verheerend wäre es, wenn er scheitern würde. Emmanuel Macron wird daher nicht allein auf die ihm nun zukommende Machtfülle bauen können.
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