Dubliners. Seit einigen Wochen geistert der Begriff durch den öffentlichen Diskurs. Es handelt sich dabei weder um eine Kurzgeschichten-Sammlung von James Joyce noch um eine irische Folk-Band. Als „Dubliners“ werden Menschen bezeichnet, die in ein EU-Land eingewandert sind, dort aber nicht bleiben dürfen, wenn sie zuvor bereits einen Antrag in einem anderen EU-Land gestellt hatten.
Durch das sogenannte Dubliner Übereinkommen soll verhindert werden, dass Menschen in mehreren EU-Ländern Asylverfahren beantragen.
In anderen Worten: Die Dubliners sind einerseits Menschen, die partout nicht in ihr Heimatland zurückkehren wollen, und das, obwohl sie in der EU keine Aussicht auf Asyl haben, weil ihre Herkunftsländer als „sicher“ eingestuft werden. Andererseits sind Dubliners aber auch Menschen, die ein Anrecht auf internationalen Schutz haben, diesen aber in einem bestimmten Land nicht erhalten, weil sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden.
Weil die Dublin-Verordnung auch besagt, dass Geflüchtete nur in dem Land Asyl beantragen können, in dem sie erstmals europäischen Boden betraten, und die meisten Schutzsuchenden nun einmal mit dem Boot über das Mittelmeer Europa erreichen, sind vor allem süd- und osteuropäische Staaten von dieser Regelung betroffen.
Die Dubliners bereiten nicht nur der Familienministerin Sorgen, weil sie in Luxemburg nichts verloren haben, sondern auch dem Außenminister, weil man sie so schnell nicht wieder los wird, wie er kürzlich dem Wort gegenüber beteuerte. Sie besetzten die Plätze in den Unterkünften, die eigentlich für Geflüchtete aus Kriegsgebieten gedacht sind.
Weil es innerhalb der EU aber seit längerem keine Grenzkontrollen mehr gibt, können Staaten sich eigentlich auch nicht mehr aussuchen, wen sie in ihr Hoheitsgebiet lassen und wen nicht. Eigentlich, denn mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, haben mit der Zustimmung des EU-Ministerrats längst wieder Kontrollen an bestimmten Grenzen eingeführt, selbst wenn diese nur vorübergehend aufrechterhalten werden sollen.
Auch an den Außengrenzen verstärkt die Europäische Union die Kontrollen. Dazu gehören nicht nur die Grenzzäune in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, die zwar schon vor 20 Jahren gebaut wurden, heute aber aktueller denn je sind, sondern ebenfalls die längst nicht unumstrittenen Flüchtlingsdeals mit der Türkei und voraussichtlich bald mit Libyen.
Auch wenn die Einwanderung mit solch inhumanen Maßnahmen begrenzt werden kann, gelingt es immer noch Menschen aus sogenannten Drittländern, in die EU einzureisen. Dabei handelt es sich eben nicht nur um Menschen aus Syrien, sondern auch um diese Dubliners, die man eigentlich überhaupt nicht haben will.
Wird die EU an dieser Herausforderung zerbrechen? Wird Europa seinen hohen Lebensstandard halten können? Oder werden mit den Einwanderern auch Elend, Armut und Überbevölkerung einkehren? Diese Fragen sind schwer zu beantworten. Auf jeden Fall zahlt der Westen gerade den Preis für eine liberale und ausbeuterische Wirtschaftspolitik, die sich jahrzehntelang auf Kosten anderer am Leben hielt.
Die Geschichte Europas ist längst nicht nur vom Humanismus, sondern auch von Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung geprägt. Das zeigt auch der Dubliners-Diskurs. Allem Anschein nach kann sie auch nur auf der Grundlage dieser „Werte“ weitergeführt werden.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können