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Pro und Kontra: Weiter Diesel fahren?

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Eines der Themen, die im Jahr 2017 für viel Diskussionsstoff gesorgt haben, war der Diesel-Skandal. Immerhin handelt es sich um einen Skandal mit Folgen. Nicht nur, dass Unternehmen und Manager bestraft wurden – auch eine ganze Reihe Städte haben der nationalen Politik vorgegriffen und eilig künftige Verbote für Diesel-Autos angekündigt.
Einigkeit über die schnellen Konsequenzen gibt es in der Öffentlichkeit allerdings nicht.

Pro: Plädoyer für den Diesel

Helmut Wyrwich, Wirtschaftsredaktion hwyrwich@tageblatt.lu

So einfach ist es heutzutage nicht, sich für den Diesel einzusetzen. Da holt man sich schnell den Schimpfnamen des Umweltverschmutzers und des Unverbesserlichen, der nicht verstehen will, dass er mit seiner Dieselkutsche (zudem gerade frisch als jungen Gebrauchten gekauft) zum Untergang der Welt beiträgt. Jemand also, der als Dinosaurier nicht verstehen will, was gerade auf der Erde vor sich geht.

Die Hysterie, die sich dabei entwickelt, gilt dem Dieselmotor, der an allem schuld ist. Und in der Hysterie liegen alle Vorteile beim Elektromotor, der nun die Welt retten soll. In solchen Hysterien gehen sachliche Argumente in der Regel unter, zumal, wenn Politiker und Medien meinen, die Sache in die Hand nehmen und die Welt dadurch retten zu müssen, dass man dem Diesel den Garaus macht.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Gefahren, denen wir ausgesetzt sind. Da ist das Kohlenstoffdioxid. «Bei vergleichbarer Leistung erzeugen Diesel wegen der effizienteren Verbrennung von Kraftstoff oft weniger Kohlenstoffdioxid als Benziner», ist mittlerweile in mehr als einer Studie von Antriebswissenschaftlern zu lesen. Es dreht sich bewusst um den Vergleich mit Benzinmotoren. Denn auf dem deutschen und dem französischen Markt ist der Rückgang der Dieselfahrzeuge beträchtlich. Ende 2017 gibt es nur jede dritte Zulassung noch als Dieselfahrzeug, wohingegen die Benzinmotoren deutlich zulegten.

Das für Dieselmotoren geradezu tödliche Argument ist das des Feinstaubs. Europaweit werden die Straßen genannt, wo das Leben nicht lebenswert ist, weil es dort besonders viel Feinstaub gibt. Der aber ist für den Diesel längst kein Problem mehr. Was stattdessen gilt, ist, dass Feinstaub überall herumliegt und überall aufgewirbelt wird. Nicht umsonst lässt Stuttgart derzeit die Straßen intensiv säubern. Spätestens Dieselmotoren mit der Klassifizierung «Euro 5» lassen diese Feinstaub-Kreuzigung des Dieselmotors nicht mehr zu. Und dann NOx: Stickstoffdioxid entsteht bei jeder Verbrennung. Moderne Dieselmotoren übertreffen auch hier die Benzinmotoren mittlerweile.

Zieht man hier Bilanz, dann gibt es keine wesentlichen Gründe zur «Hexenverbrennung» des Dieselmotors. Aber dafür gibt es erhebliche Vorteile: Der Diesel ist ressourcensparender, weil er weniger verbraucht. Er ist insbesondere im Anzugsbereich stärker, reagiert nervöser, um später bei Reisegeschwindigkeit ruhiger zu arbeiten. Bei Langstreckenfahrten mit gleich bleibender Geschwindigkeit ist der geringe Verbrauch von Dieselmotoren unschlagbar.

Das sind die Vorteile, die ins Gewicht fallen – bei einer Politik, die die Steuervorteile des Diesels nach und nach aufhebt und den Dieselpreis dem Benzinpreis anpassen will. Aber 1.000 Kilometer mit einem Tank meines jungen, gebrauchten T-Modells ist ein Vorteil, den kein Benziner oder Elektroauto aufwiegen können.

Übrigens: Elektroauto. Schon einmal darüber nachgedacht, welchen Dreck die Produktion von Batterien macht und welchen Raub an Ressourcen wir mit den «seltenen Erden» für das «saubere» Elektroauto vornehmen? Wenn wir wirklich dem Dieselmotor bei den Autos oder den Schiffen und Lastwagen (!) den Garaus machen wollen, gibt es für mich nur eine Ersatztechnologie: die Brennstoffzelle. Sie wäre die Technologie, die mich als überzeugten Diesel-Fahrer zu einer Scheidung verführen könnte. Da kommt aus dem Auspuff am Ende nur Wasser heraus.

Kontra: Auslaufmodell Diesel

Jean-Philippe Schmit, Wirtschaftsredaktion jpschmit@tageblatt.lu

Das Jahr 2017 war vom Dieselskandal geprägt. In den USA ist sogar ein VW-Manager der mittleren Ebene zu sieben Jahren Knast verurteilt (und von VW fristlos entlassen) worden, weil VW die eigenen Dieselmotoren sauberschummelte. Damit ist der Diesel in den USA endgültig tot, beliebt war er dort noch nie.
In der Folge des Skandals ist Europa in eine «Dieselkrise» geraten. So ist der Diesel-Anteil an den Pkw-Neuzulassungen in der EU laut PwC seit dem Jahr 2012 von 55,6 auf 46,3 Prozent gefallen. Bis zum Jahr 2023 könnte er sich auf nur noch 37 Prozent verringern.

Die Konsumenten wenden sich also scharenweise vom ehemals so beliebten Motor ab. Diesel-Neuwagen verkaufen sich auch mit hohen Rabatten eher schlecht als recht. Eine weitere Folge ist, dass auf dem Markt das Angebot an gebrauchten Dieseln in die Höhe schnellte. Viele Händler beklagen sich über deutlich gestiegene Standzeiten. Das wiederum führt zu einer Verringerung der Restwerte, was Dieselfahrer beim Verkauf ihres Gebrauchten bares Geld kostet.

Ein Ende dieser Entwicklung zeichnet sich nicht ab, im Gegenteil. Viele Studien haben bewiesen, dass der Diesel im Pkw für die gefährlich hohen Werte an Stickoxiden und Feinstaub in den europäischen Städten hauptverantwortlich ist. Laut Bundesumweltamt verursacht der Kfz-Verkehr 64 Prozent der Belastung mit Stickoxiden, davon stammen 67 Prozent von Diesel-Autos und nur vier von allen anderen Pkws.

Die europäische Umweltagentur bezeichnet diese Luftverschmutzung als das schwerwiegendste Gesundheitsrisiko des Kontinents. Die WHO stufte Dieselabgase schon 2012 in die höchste Klasse der krebserregenden Stoffe ein. Sie verursachen Lungenkrebs, schädigen das Herz-Kreislauf-System, erhöhen das Risiko für Schlaganfälle und haben sogar negative Auswirkungen auf die Spermienqualität. Mehrere 10.000 vorzeitige Todesfälle in Europa gehen auf die blau-grauen Dieselabgase zurück. Der Diesel tötet.
Ein Diesel-Pkw, der die Euro-5- Norm erfüllt, produziert unter realen Fahrbedingungen deutlich mehr gesundheitsschädliche Stickstoffoxide als ein Benzin-Wagen, der nur die Euro-1-Norm einhält. Die Einführung des Oxidationskatalysators mit der Euro-3- und Euro-4-Norm führte sogar zu einer Zunahme der Stickstoffoxid-Emissionen durch Dieselfahrzeuge.

Nun mag der Einwand kommen, dass der Diesel, wenn die Hersteller nicht schummeln würden, genauso sauber wie ein vergleichbarer Benziner wäre. Bei Benzinern mussten jedoch keine «defeat devices» eingebaut werden, um die Umweltnormen einzuhalten. Ein «sauberer Diesel» würde mehr verbrauchen und noch teurer werden, als er eh schon ist. Der Kostenvorteil wäre weg.

Über lange Jahre galt der Diesel, weil er etwas sparsamer ist, als die Lösung des CO2-Problems. Um ihn zu fördern, wird der Kraftstoff steuerlich bezuschusst. Wenn die Politik das «principe pollueur-payeur» ernst nehmen würde, müsste der Diesel steuerlich zumindest dem Benzin gleichgestellt werden. Selbst der VW-Chef hat dies erkannt und forderte vor kurzem ein Ende der Dieselsubventionen.

Wenn die Politik auch die Luftqualität ernst nehmen würde, müsste sie bei zu hohen Belastungen Fahrverbote für Diesel-Pkws aussprechen. Diese wären der endgültige Todesstoß für den ehemals so beliebten Antrieb.