Headlines

Die CSV regiert Esch – ein Pro und Kontra

Die CSV regiert Esch – ein Pro und Kontra

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Wahlen vom 8. Oktober hatten das lokale Geschehen 2017 voll im Griff. Die Wähler sorgten in einigen Gemeinden für Überraschungen. So geschehen auch in der Minettemetropole Esch. Die Sozialisten wurden hier abgestraft. Eine CSV-«déi gréng»-DP-Koalition leitet in den nächsten sechs Jahren die Geschicke der Gemeinde. Ein Pro und Kontra.

Neue Mannschaft für neue Ideen

René Hoffmann, Lokalredaktion rhoffmann@tageblatt.lu

Bei den Kommunalwahlen in der Südmetropole wurde die seit jeher regierende LSAP abgestraft. Sie verlor drei Sitze. Großer Gewinner des Urnengangs war die CSV, die zwei Mandate hinzugewann und nun genauso viele Gewählte im Gemeinderat zählt wie die Sozialisten. Es wurde sich über eine neue Mehrheit geeinigt. Eine CSV-«déi gréng»-DP-Koalition leitet in den nächsten sechs Jahren die Geschicke der Gemeinde. Neuer Bürgermeister wird Georges Mischo, der die LSAP-Politikerin Vera Spautz beerbt.

Der Mehrheitswechsel in der Südgemeinde stellt eine Premiere dar. Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt sitzt kein Sozialist im Schöffenrat. Für viele Leute kam der Wechsel dann auch überraschend. Man hörte nach der Wahl viele Stimmen, die ein Ende der Kontinuität der Gemeindepolitik befürchten. Sie verweisen auf das unter den sukzessiven LSAP-Bürgermeistern Erreichte.

«Aber ist es nicht vielmehr die Angst vor etwas Neuem?», erwidern die Befürworter der neuen Mehrheit. Die neue Koalition wird sicherlich nicht alles abschaffen, was die alten Mehrheiten beschlossen haben, zumal mit «déi gréng» der Ex-Partner der LSAP Mitglied des neuen Schöffenrats ist. Die CSV-«déi gréng»-DP-Majorität wird aber neue Akzente setzen wollen. Und das ist gut so. Unabhängig von den Parteien ist ein politischer Wechsel gut für die Demokratie. Eine Partei oder auch eine Mehrheit, die zu lange in der Verantwortung ist, hat nach einiger Zeit die Tendenz, keine neuen, innovativen Ideen mehr zu entwickeln. Sie ist zudem oft das Opfer von verkrusteten Strukturen.

Die CSV, die auf nationaler Ebene die meiste Zeit in Luxemburg die Regierungsmehrheiten anführte, stand vor demselben Problem. Sie verwaltete das Land eher, als dass sie es auf zukünftige Herausforderungen vorbereitete. 1974 und 2013 wurde ein CSV-Regierungschef durch einen DP-Politiker (Gaston Thorn und Xavier Bettel) abgelöst. Jedes Mal wurden längst fällige Reformen durchgesetzt und neue Wirtschaftsnischen erschlossen. Das Land hörte nicht auf zu existieren, nur weil sich die Mehrheit änderte.

Ähnlich verhält es sich in Esch/Alzette. Anstatt sich aufzuregen, dass die CSV nun den Ersten Bürger der Stadt stellt, sollte man der neuen Mehrheit eine Chance geben, sich zu beweisen. Die Tatsache, dass drei Parteien aus verschiedenen politischen Richtungen in der Südgemeinde jetzt eine Mehrheit bilden, nützt dem politischen Dialog. Es müssen Kompromisse erarbeitet werden. Die CSV kann ihre Ideen, die sie während der langen Oppositionszeit entwickelt hat, nun endlich umsetzen. Idem für die DP, die in der Alzette-Stadt bisher kaum eine Rolle spielte. Lediglich «déi gréng» müssen den Spagat zwischen dem bereits Beschlossenen und der neuen Politik bewältigen.

Dabei haben sie einiges zu verlieren, können aber auch an Glaubwürdigkeit gewinnen. «Déi Lénk» indes kann weiterhin ihre Rolle in der Opposition ausfüllen. Sie könnte dabei sogar Hilfe vom linken politischen Lager bekommen, vorausgesetzt, die LSAP nimmt ihre neue Rolle an und sieht ihr Ausscheiden aus dem Schöffenrat als Chance für einen Neubeginn, sei es politisch oder personell.

Dieser Neustart ist nach all den Jahrzehnten in der belastenden Verantwortung dringend notwendig. Die Sozialisten können jetzt ohne Druck neue Wege beschreiten und ihre Ziele verfolgen. Dieser lastet jetzt auf der neuen Mehrheit aus CSV, «déi gréng» und DP.

 

Kontra: Koalition der Untätigen

Luc Laboulle, Chef der Lokalredaktion llaboulle@tageblatt.lu

Der politische Wechsel in Esch/Alzette war wohl eine der größten Überraschungen des Jahres 2017. Nach den selbst für Escher Verhältnisse ausgezeichneten Resultaten der LSAP bei den Kommunalwahlen 2005 und 2011, als die Sozialisten die absolute Mehrheit nur knapp verfehlten, konnte man in diesem Jahr zwar von Verlusten ausgehen, doch dass sie so hoch ausfallen würden, daran haben vor dem 8. Oktober wohl nur die wenigsten geglaubt.

Auch der neue Escher CSV-Bürgermeister und seine Kollegen aus dem Schöffenrat hatten nicht damit gerechnet, dass sie so schnell in die Verantwortung kommen würden. Doch CSV, «déi gréng» und DP wurden sich schon kurz nach den Wahlen einig und läuteten gemeinsam den historischen politischen Wechsel in der Minettemetropole ein.
Ob die Wähler diesen Wechsel tatsächlich wollten, sei dahingestellt. Immerhin verfügte die LSAP nach den Wahlen noch über genauso viele Mandate wie die CSV, auch wenn die Sozialisten nach dem Parteiaustritt von Dan Codello kurz nach den Wahlen mittlerweile nur noch zweitstärkste Kraft sind.

Die neue Mehrheit tut sich bislang schwer damit, richtungsweisende Schritte zu machen. Sicherlich sollte auch für sie eine Eingewöhnungsphase von 100 Tagen gelten, doch die Haushaltsvorlage 2018 zeigt bereits, dass CSV, Grünen und DP in den kommenden Jahren nicht viel Handlungsspielraum bleibt. Das liegt vor allem daran, dass die LSAP in den vergangenen Jahren alles andere als untätig gewesen ist. Sie hat zahlreiche Großprojekte auf den Weg gebracht.

Dass viele davon sich erst in der Planungsphase befinden, mag auch am Personalwechsel nach den vorgezogenen Parlamentswahlen von 2013 liegen, als Vera Spautz ihre Vorgängerin Lydia Mutsch im Amt der Bürgermeisterin ersetzte. Spautz hatte demnach nur knapp vier anstatt sechs Jahre Zeit, um ihre Ideen einzubringen und zu verwirklichen.
Die neue Koalition wird nun die nächste Zeit damit verbringen, sich in Akten einzuarbeiten und Projekte umzusetzen, die sie nicht selbst erdacht hat. Diese anstrengende Einarbeitungsphase wäre der CSV erspart geblieben, hätte sie sich anstatt der Grünen und der DP die Sozialisten als Koalitionspartner mit ins Boot geholt. Eine andere Möglichkeit, die für Stabilität und Kontinuität in politisch unsicheren Zeiten gesorgt hätte, wäre eine rot-rot-grüne Mehrheit gewesen. Damit hätte auch die in der Opposition äußerst aktive «déi Lénk» die Gelegenheit bekommen, ihre Ideen im sozialpolitischen Bereich umzusetzen, der ihrer Ansicht nach in den vergangenen Jahren zu kurz gekommen ist. Doch insbesondere für «déi gréng» war Rot-Rot-Grün nie eine ernst zu nehmende Option, was sicherlich auch mit politischem Kalkül im Hinblick auf die Legislativwahlen 2018 zu tun hat.

Mit dem Ergebnis, dass Esch/Alzette jetzt von einer Koalition der Untätigen regiert wird. Die CSV und vor allem die DP fielen in den vergangenen sechs Jahren lediglich durch eine quasi nicht-existente Oppositionspolitik und verblüffende Ideenlosigkeit auf. Und trotzdem wurden sie vom Wähler gestärkt. Genau wie «déi gréng», die immerhin in den vergangenen 17 Jahren die Escher Politik als Juniorpartner der LSAP mitbestimmt haben, doch selbst kaum Akzente zu setzen vermochten und seit einigen Wochen so tun, als habe es die rot-grüne Koalition nie gegeben.

Die 100-Tage-Schonfrist wird Ende Januar ablaufen. Spätestens dann werden CSV, «déi gréng» und DP den Beweis liefern müssen, dass sie sich nicht bloß zusammengeschlossen haben, um der LSAP in Esch eins auszuwischen.