Mit jedem Tag wird deutlicher, dass die britische Premierministerin ihr Wählervolk schamlos hinters Licht führt, wenn sie behauptet, dass der Brexit so easy wie jede andere ganz normale Scheidung werde und danach den Briten Zeiten der wirtschaftlichen Blüte ins Haus stehen würden.
Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat es gestern denkbar deutlich gemacht: Den Brexit wird es nicht für lau geben. Die Briten sind, seit sie freiwillig der EU beigetreten sind, eine ganze Reihe von langfristigen Verpflichtungen eingegangen, die sich mitnichten am Tage des Austritts in Wohlgefallen auflösen werden.
Die einschlägigen Verbindlichkeiten, für die London wird geradestehen müssen, könnten sich auf satte 60 Milliarden Euro belaufen.
Diese Verpflichtungen hatten die Brexit-Befürworter ihren ohnehin ahnungslosen Anhängern wohlweislich verschwiegen, dies obwohl sie auch vor dem Referendum zu berechnen waren. Ganz einfach weil sie die notwendige Konsequenz bestehender europäischer Verträge sind.
Doch wird auch langsam immer deutlicher, was sich die Briten mit dem Brexit in wirtschaftlicher Hinsicht eingebrockt haben: Der Economist schrieb jüngst, dass Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland quasi der gesamten walisischen Schafszucht den Garaus machen könnten, während sich die Produktion von Rindfleisch und Milcherzeugnissen auf der Insel kaum noch lohnen würde, sobald die EU-Subventionen ausblieben und billige Ware von den Antipoden britische Supermarktregale überschwemmten.
Etlichen Stimmbürgern, die ohne viel Nachdenken für den Austritt gestimmt hatten, beginnt langsam zu dämmern, dass sie nun vielleicht etwas an „Kontrolle über ihr eigenes Land zurückgewinnen“, aber über ein Land, das bald deutlich weniger wohlhabend zu sein droht als das heutige. Was natürlich für den ohnehin schon recht bescheidenen Lebensstandard der Have-nots nicht eben von Vorteil sein dürfte.
Und der UKIP des Fahnenflüchtigen Farage – diesen selbsternannten besten Freunden der Volksmassen – fällt bislang nichts Gescheiteres ein als das bislang kostenfreie Gesundheitssystem NHS zu privatisieren und so den kleinen Mann nebst Wifey und Blagen privaten Profiteuren ans Skalpell zu liefern. Rechtspopulisten vom Feinsten halt.
Ex-Premier und Massenmörder Blair muss man ausnahmsweise beipflichten, wenn er sagt, dass man den Briten Zeit geben muss, um sich darüber klar zu werden, was sie mit dem Brexit-Votum angerichtet haben, und dass man ihnen die Gelegenheit geben muss, ihre Entscheidung eventuell noch einmal zu revidieren.
PM May wird damit natürlich nie und nimmer einverstanden sein. Denn sie scheint bitter entschlossen, in die Geschichtsbücher als jene Premierministerin einzugehen, die Great Britain simsalabim in Little England verwandelt hat.
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