Seit 1993 hatte Polen bereits eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze Europas: Eine Schwangerschaft durfte nur beendet werden, falls das Leben der Mutter in Gefahr war, schwere Missbildungen für den Fötus drohten oder aber diese Schwangerschaft das Resultat von Inzest oder Vergewaltigung war.
Bei einem Staat, der solche Gesetze beschließt, hat man den Eindruck, dass er Probleme hat, Anschluss an die Moderne zu finden. Doch sein neues Abtreibungsgesetz zeigt ein Polen, das offenbar, in Sachen Frauenrechte, schnurstracks auf dem Weg zurück ins Mittelalter ist.
Abtreibung soll in Polen in Zukunft quasi grundsätzlich verboten werden. Die Polinnen verlieren ihr ohnehin stark eingeschränktes Recht, über ihren eigenen Körper zu verfügen, nun zur Gänze. Sie sollen, so wie es sich für einen katholisch verfassten Staat gehört, als gottgefällige Gebärmaschinen funktionieren, die allfälligen Nachwuchs als Geschenk des Himmels zu betrachten haben, über welches sie keinerlei Mitspracherecht genießen.
Ist der Ruf erst mal ruiniert – lebt es sich doppelt ungeniert
Der Fall Polen zeigt einmal mehr eindrücklich, dass man konservativ-reaktionäre Religionseiferer – seien diese nun christlichen oder islamischen Bekenntnisses – so gut es irgend geht von den Hebeln der Macht entfernt halten muss.
Es ist gut möglich, dass diese temporär – aber immer nur aus rein taktischen Gründen – Kreide fressen und Kompromissbereitschaft heucheln. Doch sobald sie – wie eben nun in Polen – die Gelegenheit erhalten, das Rad der Zeit zurückzudrehen, lassen sie die Maske fallen und setzen alles daran, ihre archaischen Überzeugungen der Allgemeinheit aufzuzwingen.
Das neue polnische Abtreibungsgesetz ist eine Schande für Polen, und durch dieses frauenfeindliche legislative Machwerk wird Polen zur Schande für Europa!
Nun gut, was soll’s: Ist der Ruf erst mal ruiniert – und dafür hat das Kartoffel-Regime ja nun schon seit Amtsantritt gesorgt –, lebt es sich doppelt ungeniert. Oh sicher, das polnische Parlament hat diese Schandparagrafen unter Wahrung sämtlicher rechtsstaatlicher Prozeduren beschlossen.
Aber hat es das wirklich?
Es ist in der Tat kein Zufall, dass die Kaczynski-Partei erst einmal die Verfassungsgerichtsbarkeit kaltstellte, bevor sie sich daranmachte, das Land auf den Treck zurück in die Vormoderne zu schicken. Unter den gegebenen Umständen sind aus rechtsstaatlicher Sicht die Beschlüsse von Polens Parlament also eh nur von zweifelhaftem Wert.
Das Gebot der Stunde ist nun natürlich Solidarität mit den Polinnen, von denen jetzt schon viele ins Ausland reisen müssen, wenn sie eine ungewollte Schwangerschaft beenden wollen … wenn sie sich das finanziell leisten können.
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