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Auf dem Weg in die Kleptokratie?

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Kleptokratie. Ein Reizthema, das im Rahmen dieser Zeilen der Leserschaft des „Tageblatt“ zum Nachdenken unterbreitet werden soll. „Ein deutliches Merkmal einer Kleptokratie ist, dass eine Majorität glaubt, die Teilnahme sei obligatorisch und Klauen sei in Wirklichkeit organisieren.“

Von Frank Bertemes

So ein Unternehmer zu einem Thema, das man in einer neoliberalen Welt, einer sich digital organisierenden Form des modernen Kapitalismus, den man allerdings tunlichst mit allen Mitteln schönzureden sich ereifert, eher wenig thematisiert.

Denn niemand soll allen Ernstes glauben, dass sich ob der für die Linke generell enttäuschenden EU-Wahlen und aufgrund des Erfolges der liberalen Kräfte Europas einfach so Aussicht auf Besserung der generellen Wirtschaftsweise, die wir alle kennen, und unter der so viele Menschen auf diesem Planeten zu leiden haben, ergeben wird … mitnichten!

Methoden der kapitalistischen Eliten

Denn sie werden sich weiter organisieren, die kapitalistischen Eliten dieser Erde, sie werden ihre Methoden mittels des fantastischen Instrumentes der (zweckentfremdeten) Digitalisierung weiter verfeinern und ausbauen, sie werden den Neoliberalismus weiter treiben – nur anders eben, das ist jedenfalls ihre Absicht. Natürlich wird man versuchen, diesen unschönen Begriff des heftig debattierten „Neoliberalismus“ aus dem wirtschaftspolitischen Vokabular zu entfernen, ohne allerdings am real existierenden, strikt wirtschaftsliberalen Grundprinzip irgendetwas zu verändern, höchstens mittels „Sozialkosmetik“ (das hat man uns tumbem Wahlvolk im EU-Wahlgefasel lästigerweise – Stichwort: soziales Europa – hoch und heilig versprochen) leichte Korrekturen am System vornehmen, diese entsprechend als politische Glanzleistung hochspielen und ansonsten weiterhin Makulatur im üblichen Stil reden.

Als mündiger Bürger, der sich so leicht nichts vormachen lässt, kann man nur hoffen, dass man sich mit derartigen, rein persönlichen Einschätzungen nur irrt, das wäre dann zumindest eine wahre Freude und Erleichterung. Nur – dem wird leider schon so nicht sein … Denn der Weg in die Kleptokratie, der an sich nichts Neues darstellt, allerdings wenig bis gar nicht thematisiert wird, soll weiterhin angesagt sein …

Um was geht es eigentlich? Als Kleptokratie bezeichnet man die Staatsform, in der die Plünderer, die Diebe über die Gesellschaft herrschen. Als Kleptokratie wird im engeren Sinn auch eine Herrschaftsform bezeichnet, bei der die Herrschenden willkürliche Verfügungsgewalt über Besitz und Einkünfte der Beherrschten haben und entweder sich oder ihre Klientel auf Kosten der Beherrschten bereichern. Es ist die Steigerungsform der Plutokratie, der Herrschaft der Reichen. Die Übergänge sind fließend und eben absolut nicht neu. In diesen Kontext passt natürlich das, was wir heute unter „moderner Demokratie“ verstehen, meint die Form der „Demokratie“, die eine pure Fassade darstellt – weil sie eben gar keine Demokratie im gesunden Sinne ist! Demokratie als nützliche Fassade also.

Eine Demokratie im Interesse des Kapitals, der Herrschenden im Sinne der Definition der Kleptokratie und der Plutokratie, um die es in diesem Beitrag gehen soll. Der (adlige) Vordenker und Gründer der Paneuropa-Bewegung Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi, der im Jahre 1894 in Tokio geboren wurde, bis 1972 lebte und ein japanisch-österreichischer Schriftsteller, Philosoph sowie auch Politiker und zudem der erste Träger des Karlspreises war, warb bereits in den 1920er Jahren für eine europäische Einigung.
Er gehörte zur obersten Elite der Gesellschaft und war 1950, wie bereits erwähnt, der erste Preisträger des Karlspreises, einer besonderen Auszeichnung, die seither vor allem an Staatsführer und Spitzenpolitiker verliehen wird.

Der Preis wurde ihm als „Würdigung seiner Lebensarbeit für ein geeintes Europa“ verliehen. In seinem 1925 erschienenen Buch mit dem Titel „Praktischer Idealismus“ kam der Mann zu Schlussfolgerungen, die zeitlos aktuell sind, Zitate: „Heute ist Demokratie Fassade der Plutokratie: Weil die Völker nackte Plutokratie nicht dulden würden, wird ihnen die nominelle Macht überlassen, während die faktische Macht in den Händen der Plutokraten ruht. In republikanischen wie in monarchischen Demokratien sind die Staatsmänner Marionetten, die Kapitalisten Drahtzieher.“

Und es sind bekanntlich (und das heute noch!) diese Drahtzieher, die die Richtlinien der Politik diktieren. Sie beherrschen durch Ankauf der öffentlichen Meinung, die sie sich zudem mit den Instrumenten der Manipulation absichern, das Wahlvolk, durch geschäftliche und gesellschaftliche Beziehungen die Minister.

Und, so der kritische Paneuropäer, den der Erste Weltkrieg zur Politik brachte – Coudenhove-Kalergi: „Den Ersten Weltkrieg empfand ich als Bürgerkrieg zwischen Europäern: als Katastrophe erster Ordnung.“ – weiter: „An die Stelle der feudalen Gesellschaftsstruktur ist die plutokratische getreten: nicht mehr die Geburt ist maßgebend für die soziale Stellung, sondern das Einkommen. Die Plutokratie von heute ist mächtiger als die Aristokratie von gestern; denn niemand steht über ihr als der Staat, der ihr Werkzeug und Helfershelfer ist. Die Klasse, die heute herrscht, ist bar allen Verantwortungsgefühls, aller Kultur und Tradition.“

Mächtiger als die Aristokratie

Nicht umsonst reagierte der politische Visionär und entwickelte die Idee von „Pan-Europa“, die „Vereinigten Staaten von Europa“, zum Thema seines Lebens. Sein Vorschlag, ein Paneuropa zu schaffen, erregte 1922, als er gerade 28 Jahre alt war, internationales Aufsehen.

Die Paneuropa-Union ist die älteste europäische Einigungsbewegung. Sie tritt im Sinne des europäischen Föderalismus für ein politisch und wirtschaftlich geeintes, demokratisches und friedliches Europa ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Paneuropa-Idee eine Renaissance. Winston Churchill hielt 1946 in Zürich eine von Coudenhove-Kalergis Visionen inspirierte Rede, in der er die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“ anregte und dabei die zentralen Forderungen der Paneuropa-Idee aufnahm.

Davon wissen viele von uns heuer allerdings kaum etwas – und politisch ist das Thema ob der Erfolge der Rechtspopulisten, die glücklicherweise trotzdem nur relativ sind, durchaus heikel. Die paneuropäische Idee ist zwar weiterhin lanciert, wird allerdings aus wahltaktischen Gründen zurückhaltend behandelt, man sollte sie allerdings durchaus weiter verfolgen.

Wir kennen heute allerdings die Wahlresultate der rezenten Europawahlen, in denen die Linke trotz sozialpolitischer Vorgaben – das „Soziale“, das eigentliche Kernthema ihrer politischen Existenz und Daseinsberechtigung – dennoch insgesamt verloren hat, die Sozialdemokratie allerdings immer noch die Möglichkeit hat, den kommenden Kommissionspräsidenten zu stellen.

Die angelaufenen Diskussionen, das Taktieren im Hintergrund, die Gespräche im stillen Kämmerlein und die entsprechenden Telefonate sind bestimmt sehr reizvoll … Eine europäische Sozialdemokratie demnach, die somit trotzdem alles unternehmen kann, um immer noch das europäische Projekt im Sinne des an dieser Stelle erinnerten Vordenkers zumindest teilweise weiter zu treiben und schon mal das von so vielen vollmundig angekündigte „soziale Europa“ glaubwürdig zu realisieren. Das wär doch mal was – Kleptokratie und Plutokratie endgültig stoppen. Und das mit den Mitteln der wahren Demokratie Europas!

Denn deshalb haben wir, das gesamte Wahlvolk der Europäischen Union, unsere Vertreter*innen für das EU-Parlament – bitte sehr – auch gewählt.
… und lassen wir den Teufel nicht aus der Bibel zitieren!