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Wie national ist eine Nationalmannschaft?

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Nach dem Abschluss der Vorrunde der Fußball-WM stellt Philip Michel im Editorial die Frage, wie "national" eine Nationalmannschaft heutzutage sein kann, muss oder darf.

Die Gruppenphase der Fußball-Weltmeisterschaft ist überstanden. 48 Spiele brauchte es, um das Teilnehmerfeld zu halbieren. Die 16 vermeintlich besten Mannschaften der Welt kämpfen ab morgen in den K.o.-Runden um den Titel. In anderen Worten: Ab jetzt geht es ums Ganze.

Dabei konnte man in den letzten 14 Tagen durchaus den Eindruck bekommen, dass die nervliche Belastung für den einen oder anderen bereits in der Vorrunde zu groß war. Es ist schon fast paradox: Heutzutage werden die jungen Kicker bereits in den Nachwuchsleistungszentren von Medienexperten für den «richtigen» Umgang mit der Presse geschult. Das Resultat ist bekannt: Die immer gleichen, nichts sagenden Floskeln werden in die Mikros und Diktafone gesprochen. Was beim Publikum den Eindruck entstehen lässt, dass es keine richtigen «Typen» mehr gibt im modernen Fußball. Keinen mündigen Profi, der sich auch mal traut, seine Meinung zu sagen. Wie kann es sein, dass nach dem blamablen Vorrunden-Aus der deutschen Mannschaft, die den WM-Fluch der Titelträger fortsetzte, weder Spieler noch Trainer Tacheles redeten?

Auf der anderen Seite gibt es das Beispiel der albanisch-stämmigen Schweizer Spieler Shaqiri und Xhaka, die gegen Serbien bewusst den Weg der Provokation suchten und Öl ins Feuer des Kosovo-Konflikts gossen. Und zwar schon im Vorfeld der WM, als einer der beiden stolz seine mit den Flaggen der Schweiz und des Kosovo dekorierten Fußballschuhe in den sozialen Netzwerken postete und die Serben provozierte. Während des Spiels formten beide bei ihrem Torjubel den albanischen Adler. Dabei war schon einmal ein Fußballspiel wegen der Kosovo-Frage eskaliert, 2014 das Duell zwischen Serbien und Albanien.

Die Strafe der FIFA, politische Statements sind auf dem grünen Rasen nämlich durch den Fußball-Weltverband verboten, fiel mit 8.680 Euro Geldbuße für Shaqiri und Xhaka milde aus. In der englischen Premier League verdienen die beiden übrigens rund 120.000 britische Pfund … pro Woche. Der Fall der beiden Schweizer bei der WM kann somit sinnbildlich für folgende Feststellung gelten: Es gibt zu viele Profifußballer auf der Welt, die zu viel Geld verdienen und zu viel Zeit haben.

Zeit, die sie kaum zum tieferen Nachdenken über Konsequenzen ihres Handelns bzw. über ihre Vorbildfunktion nutzen. Denn die Auftritte der beiden Schweizer sind auch dahingehend dumm, weil sie gefundenes Fressen für die populistischen Parteien und v.a. für die Wutbürger in den sozialen Netzwerken sind. Am Donnerstag gaben AfD-Politiker Mesut Özil und Ilkay Gündogan die Schuld am WM-Vorrundenaus des Titelverteidigers.

Beide hatten vor sechs Wochen Wahlkampfhilfe für den türkischen Präsidenten Erdogan geleistet. Die Folge war eine noch heute andauernde Debatte über das Verhältnis deutscher Nationalspieler zu Deutschland. Nach dem Motto: Warum spielen die beiden denn nicht für die Türkei und Shaqiri und Xhaka nicht für Albanien? Über solche Fragen braucht man sich in Zeiten des weltweit zunehmenden Populismus nicht zu wundern.

Schlussendlich ist eine Nationalmannschaft nichts anderes als ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die Boatengs, Özils, Kloses, Khediras oder Podolskis gehören zu Deutschland wie die Neuers, Hummels’ oder Müllers. Ohne sie wäre Deutschland 2014 nicht Weltmeister geworden. Auch Luxemburgs fußballerischer Aufschwung wäre ohne die Jouberts, Mutschs, Martins’, Skenderovics, Gersons, Chanots, Da Motas, Carlsons und Co. nicht möglich gewesen.

Herbert Becker
30. Juni 2018 - 13.53

Man möchte das eigentlich alles gar nicht mehr kommentieren ... erstens, weil Philip Michel sowieso Recht hat mit jeder Zeile, die er geschrieben hat. Das eigentliche SPIEL, nämlich der Fußball, welches seit Jahrzehnten Millionen elektrisiert und in die Stadien dieser Welt treibt, ist derart in den Hintergrund geraten, wegen Geldgier der FIFA und unzähliger Spieler, für die Ehre und Vorbildfunktion nur noch Fremdwörter sind. QUO VADIS, Fußball?

roger wohlfart
29. Juni 2018 - 14.54

Politik gehört definitiv nicht in den Sport und umgekehrt. Was sich Shaqiri und Co geleistet haben, ist eine Provokation, die nicht aufs Spielfeld gehört. Die Geldstrafe ist gerechtfertigt und eigentlich müssten die beiden Spieler sie aus ihrer eigenen Tasche berappen. Özil und Gündogan haben sich von Erdogan zu Wahlkampfzwecken missbrauchen lassen. Vielleicht war es ja für sie auch noch ein lukratives Geschäft obendrein ? Nun , nach dem Ausscheiden Deutschlands, macht die AfD Özil zum Sündenbock. Diese ganze Politisierung begann ja eigentlich schon mit der Vergabe der WM an Russland. Sind und waren FIFA,UEFA, IOC usw. wirklich politisch neutrale Gremien? Muss man nicht auf beiden Augen blind sein um dies anzunehmen?