Der Regen will und will nicht aufhören. Mittlerweile ist es Mitte Juni und es ist schwer zu sagen, ob es sich dabei schon um die im Sommer üblichen Schauer handelt oder ob wir immer noch im tiefsten Winter stecken. Gewarnt hat uns niemand. Die Meteorologen können – auch dank leistungsstarker Computer – zwar sehr präzise Vorhersagen machen, allerdings nicht beliebig weit in die Zukunft hinein. Das reicht zwar, um die richtigen Kleider für den Tag auszuwählen oder rechtzeitig zu entscheiden, ob am Wochenende BBQ oder Kneipentour auf dem Programm steht, jedoch nicht, um zum Beispiel eine Ernte genaustens zu planen oder landwirtschaftliche Erträge und Misserfolge vorherzusehen.
Ähnlich wie mit dem Wetter verhält es sich mit volkswirtschaftlichen Zahlen. Es gibt einfach zu viele Daten, die zu berücksichtigen sind, und zu viele Unbekannte, die mit reinspielen, als dass verlässliche Aussagen über die Zukunft gemacht werden könnten. Ein Beispiel: Wenn das Wetter nicht weit genug vorhergesagt werden kann, kann auch der Ertrag der Landwirtschaft nicht exakt vorausgeahnt werden und ergo kann das genaue Wirtschaftswachstum nicht prognostiziert werden.
Und: Es treten immer wieder Ereignisse auf, die niemand vorhergesehen hat. Der starke Flüchtlingszustrom nach Europa ist im Nachhinein zwar erklärbar, damit gerechnet hat im Vorfeld aber so gut wie niemand.
Gute Statistiker sind sich all dessen bewusst. Sie sind sich bewusst, auf welchen Daten ihre Resultate beruhen – was sie leisten können und was nicht. Sie sind sich darüber im Klaren, dass eine Stichprobe nicht problemlos auf die gesamte Bevölkerung übertragen werden kann (deshalb berechnen sie Konfidenzintervalle) und dass Prognosen auf historischen Datenreihen basieren. Und selbst die Wirtschaftsdaten der letzten Monate werden von der Statistikbehörde Statec immer wieder „korrigiert“, wenn neue Informationen nachgereicht werden, welche die Datenreihen im Nachhinein noch verändern.
Gute Geschäftsleute sollten sich dessen auch bewusst sein. Viele Methoden der Risikobewertung zum Beispiel basieren auf der Analyse historischer Kursbewegungen. Leider ist es einfach, dies zu vergessen und darüber hinwegzusehen – manchmal nach dem Motto „schlechte Methoden sind besser als gar keine“.
Auch gute Politiker sollten sich dessen bewusst sein. Politiker sind ständig mit Prognosen konfrontiert und darauf angewiesen. Etwa wenn sie den Haushalt für das kommende Jahr planen, Steuern planen oder einen Wirtschaftssektor fördern. Sie müssen sich dabei auf Vorhersagen verlassen, wie die Wirtschaft im kommenden Jahr arbeitet und welche Sektoren zukunftsträchtig sind. Das ist nicht immer ganz einfach und kann natürlich schiefgehen.
Aber: Die Welt und die Politik müssen sich weiterdrehen. Mit Unsicherheiten muss auch die Politik leben. Wichtig ist es, sich bewusst zu machen, wo in der Statistik die Fallstricke lauern, und stets aufmerksam und vorbereitet zu sein. Auch wenn der Wetterfrosch gutes Wetter ankündigt, ist es nicht falsch, einen Schirm zu haben.
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