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Trumps Chance

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EDITORIAL Man sollte ihn nicht unterschätzen

Das hat er jetzt erst mal geschafft: Donald Trump hat nicht weniger als 16 republikanische Kandidaten aus dem Ring geprügelt und steht nun als echter 500-Pound-Gorilla bereit, bei den Wahlen am 8. November dieses Jahres auch noch die demokratische Kandidatin Hillary Clinton auf die Matte zu schmettern.

Francis Wagner, fwagner@tageblatt.lu

Gut, Clinton scheint in ein solches Duell als Favoritin hineinzugehen, und doch hat Trump echte Chancen auf den Job des Potus (President of the United States).

Die große Hoffnung vieler Clinton-Anhänger beruht nun darauf, dass eine ganze Menge von republikanischen Wählern der ehemaligen Außenministerin und First Lady mit zugehaltener Nase ihre Stimme geben werden, ganz einfach weil der rettungslos verprollte The Donald für sie grundsätzlich unwählbar ist. Ein Szenario wie im Jahre 2002 in Frankreich, als Legionen von PS-Anhängern in der Stichwahl Chirac wählten, einzig und allein, um Altfascho Le Pen den Weg ins Elysée zu versperren.

Dem politischen System den Stinkefinger zeigen

Nun besteht zwar kein Zweifel daran, dass Trump in weiten Teilen der eigenen Partei ungefähr so populär ist wie Hämorrhoiden (dem glitschigen Reaktionär Ted Cruz ging es in dieser Hinsicht auch nicht viel besser), doch will das keineswegs heißen, dass sich diese Abneigung gegen Trump automatisch in Stimmen für Clinton materialisieren würde.
Trumps große Chance besteht nämlich, wie die Washington Post analysiert, darin, dass er rüberkommt als jemand, der dem gesamten überkommenen politischen System den Stinkefinger zeigt, während die typische Repräsentantin des Establishments, Clinton, dem Wählervolk nicht viel mehr zu bieten habe als eine Supersizeportion „more of the same“.
Was, wenn man die engen Beziehungen der ehemaligen Senatorin von New York zur Wall Street ebendort, über welche bereits ihr Mann Bill verfügte, in Betracht zieht, sogar der Wahrheit ziemlich nahekommen dürfte.

Trump posiert als der Neue Mann, der mit eisernem Besen den Washingtoner Augiasstall auszumisten verspricht. Es steht zu befürchten, dass tatsächlich eine ganze Menge von Wählern diesem Bullshit auf den Leim gehen werden. Denn natürlich ist Trump selbst einer der prominentesten Protagonisten und Nutznießer jener Politik, welche im Laufe der vergangenen 30 Jahre in den USA die Reichen immer reicher werden hat lassen, während Mittelklasse und Habenichtse immer weniger vom American Dream verspüren.

Und ebenso natürlich hat er nicht das geringste Interesse daran, etwas Grundlegendes an einem System zu ändern, das ihn hat obszön reich werden lassen, obwohl er keineswegs im Übermaß mit unternehmerischen Talenten gesegnet ist.