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Schach ist Leben

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Um etwa Hassrednern ein Medium wegzunehmen, kann man demokratische Rechte zwar einschränken – auf Dauer ist das aber kein guter Zug, findet Claude Molinaro.

Heute vor zehn Jahren starb das größte Genie, das der Schachsport (bis dato) hervorgebracht hat: Robert James „Bobby“ Fischer. Der Amerikaner sorgte aber nicht nur beim Schachspielen für Furore. Bekannt sind auch viele seiner Sprüche, die manchmal witzig waren, aber auch nicht gerade von Bescheidenheit zeugten („Ich weiß nicht, was Gott gegen mich auf 1.e4 antworten würde.“). Für negative Schlagzeilen sorgte er aber durch seine extremen Ansichten über Frauen und Juden: Erstere bezeichnete er als dumm und schwach, die Zweiten alle als Lügner (eine seiner harmlosen Aussagen diesbezüglich). Genie und Wahnsinn liegen oft nah beieinander und man sollte vom Schaffen eines kreativen Geistes nicht auf seinen Charakter schließen.

Wäre Fischer noch am Leben, würde er uns vielleicht heute jeden Tag per Twitter mit seinen Lebensweisheiten beglücken. Jemand, der es tagtäglich tut, aber bislang keinen Beweis seiner Genialität geliefert hat, sich aber für ein Genie hält, ist ja Donald Trump. Überzeugt, dass seine Sprüche auf seine Unterstützer den gleichen Eindruck machen wie die von Mao auf dessen Anhänger, will er keinen seiner Gedanken der Öffentlichkeit vorenthalten. Michelle Obama (die heute ihren 54. Geburtstag feiert) hat ihm kürzlich den Rat gegeben, „Don’t twitter every thought“ (nicht jeden Gedanken twittern). Das gilt selbstverständlich für jeden von uns.

Redefreiheit ist wie jede Freiheit nicht grenzenlos, sondern endet dort, wo die eines Mitmenschen beginnt. Viele Zeitgenossen haben das noch nicht begriffen und hassposten, was das Zeug hält. In Luxemburg (aber nicht nur hier) genießen solche Leute aber keine Narrenfreiheit mehr. Im vorigen Jahr wurden einige eifrige Internet-Kommentatoren, die zu extreme Ansichten kundtaten, aufgrund des Artikels 457-1 des Strafgesetzbuches verurteilt (der Artikel stellt den Aufruf zu Hass und Gewalt gegen Personen unter Strafe). Ein Dilemma: Die „Freiheit“ einzelner wird beschnitten, um das Allgemeinwohl zu schützen. Das hat schon zu manchen Katastrophen geführt: Jeder totalitäre Staat mordete im Namen dieses Wohls. Im Fall der Redefreiheit sollte sich der Gesetzgeber also ganz genau überlegen, wie weit er bei dem Schutz der Allgemeinheit zu gehen bereit ist. Nicht etwa, dass der Stalinismus wegen Art. 451-1 wiederaufersteht, aber der Gesetzgeber sollte wissen, wann genug ist. Negative Beispiele gibt es bereits: Im Namen der allgemeinen Sicherheit konnten z.B. in den USA aufgrund des Patriot Act Hausdurchsuchungen durchgeführt werden, die nicht im Vorfeld von einem Richter genehmigt worden waren. Und ein Schritt führt schnell zum anderen.

Die Demokratie schützen, indem man grundsätzliche demokratische Rechte einschränkt, mag kurzfristig hilfreich sein, um z.B. den extremsten Hassrednern ein Medium wegzunehmen. Auf lange Sicht ist es jedoch besser, die Vorteile der Demokratie noch weiter zu stärken, anstatt sie außer Kraft zu setzen.

Fischer sagte: „Schach ist Leben“ , ergo ist das Leben Schach. Darum besser jeden Zug (wie z.B. den Entzug demokratischer Rechte) gut berechnen, denn schnell ist man schachmatt.