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Kein Ruhmesblatt

Kein Ruhmesblatt
(Alain Rischard/editpress)

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Anmerkungen zur Vereinbarung EU-Türkei

Das Ende vergangener Woche zwischen der Europäischen Union und der Türkei vereinbarte Abkommen zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms nach Europa hat in vielerlei Hinsicht einen faden Beigeschmack. Nicht nur schafft es erstmals Vorbehalte gegen das derzeit herrschende Asylsystem. Er zeigt ebenfalls, wie hohl und unbelastbar die viel gepriesenen europäischen Werte sind und wie unfähig der Kontinent ist, einer größeren humanitären Krise zu begegnen.

Es ist doch eigenartig, dass internationalen Schutz Suchende, die von der Türkei aus auf den griechischen Inseln ankommen, zwar einen Asylantrag auf diesen bei den griechischen Behörden stellen können, dieser auch regelgemäß bearbeitet wird mit der Möglichkeit, Berufung gegen eine etwaige Abweisung einlegen zu können – um am Schluss der Prozedur wieder auf ein Schiff gesetzt und wieder zurück in die Türkei verfrachtet zu werden. Auch jene Flüchtlinge, deren Asylantrag positiv beschieden wird. Da fragt man sich, warum die EU-Staaten versuchen, mit viel Aufwand den Schein zu wahren, Asylanträge behandeln, als würden sie sich an internationale Konventionen halten, um nachher doch alle eingetroffenen Flüchtlinge unterschiedslos wieder zurück in die Türkei zu schicken.

So hebelt man das Asylrecht aus. Oder man zwingt die Menschen in ihrer Verzweiflung dazu, andere, möglicherweise wieder gefährliche Fluchtrouten zu suchen, die nicht über die Türkei führen.
Dass es überhaupt zu diesem „Deal“ mit dem Türken kommen konnte, ist unter anderem auf die Unfähigkeit, eine gemeinsame Lösung zu finden, insbesondere aber auf den Unwillen der osteuropäischen Staaten, humanitäre Verantwortung zu übernehmen, zurückzuführen. Nun, nachdem die deutsche Kanzlerin dafür gelobt wurde, weil sie die Ehre Europas gerettet hatte, als sie auch gegen den zunehmenden Unmut in den eigenen Reihen den Schutzsuchenden Zuflucht gewährte, wird Angela Merkel wieder geschmäht, da sie die Vereinbarung über den Flüchtlingsaustausch mit den Türken eingefädelt hat.

Der nun getroffene Deal arrangiert jedoch viele EU-Staaten. Die Hoffnung ist ja, dass möglichst niemand mehr über die Ägäis in die EU kommt. Und die wenigen, die es dennoch versuchen werden, wird Deutschland, wer sonst, aufnehmen. Besser diese wenigen, als noch einmal einer Million Menschen Platz bieten zu müssen. Das alles ist kein Ruhmesblatt für die Europäer.
Ebenso wie der Umstand, dass die EU-Staaten sich noch einmal über das Türkei-Abkommen dazu verpflichten, die internationalen Hilfsorganisationen bei der Verpflegung der Flüchtlinge in den Aufnahmeländern in der Krisenregion zu unterstützen.

Die versprochenen sechs Milliarden Euro werden nicht gezahlt, um die Türkei ruhigzustellen, sondern um einer Selbstverständlichkeit nachzukommen. Denn es ist unter anderem auch die mangelnde Versorgung der Flüchtlinge in den Aufnahmecamps vor etwas mehr als einem Jahr, die diese dazu bewogen hat, sich auf den Weg nach Europa zu machen.

Guy Kemp