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(Alain Rischard/editpress)

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Komplettausschluss Russlands bei Olympia

In zwei Wochen werden die 31. Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro eröffnet. Das Sportspektakel steht unter dem Motto „Lebe deine Leidenschaft“, wobei momentan wohl eher „Lebe deine Leiden“ angebracht wäre.

Im Gastgeberland blicken laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung pessimistisch auf die Spiele. Zu groß sind die wirtschaftlichen, sozialen und strukturellen Probleme des Landes, als dass ein ordentlicher Ablauf der größten Sportveranstaltung der Welt garantiert werden könnte, meinen sie. Zudem schwebt als Damoklesschwert die Sicherheitslage über dem Zuckerhut.

Das Damoklesschwert, das zurzeit über dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) schwebt, heißt unterdessen Doping, genauer Staatsdoping in Russland. Das IOC steht dabei vor der wichtigsten Frage seiner Geschichte. Es geht darum, eine Kollektivstrafe gegen Russland auszusprechen oder eben nicht. Und es geht um die Glaubwürdigkeit des Anti-Doping-Kampfes.

Denn was die jüngsten Enthüllungen rund um das russische Staatsdoping auch belegen, ist, dass das internationale Kontrollsystem wohl gescheitert ist, wie Sportmediziner Perikles Simon in der Süddeutschen Zeitung erklärt. Der Wissenschaftler spricht von einem „historischen Tiefpunkt in der Dopingbekämpfung“, denn die jüngsten Erkenntnisse über die Doping-Praktiken stammen von Journalisten und sind nicht durch das Kontrollsystem aufgedeckt worden. Fazit Simon: „Wir wissen im Grunde, dass Russland überall ist, nur in anderer Form.“ In der Tat: Kenia und Großbritannien sind weitere große Sportnationen, die in diesem Jahr am Dopingpranger standen. Genauso ist davon auszugehen, dass auch in anderen Ländern, allen voran im Leichtathletik-Wunderland Jamaika oder aber im ewig Führenden der Medaillenwertungen, den USA, gedopt wird, was das Zeug hält. Nur eben anders als in Russland.
Demnach scheint das ganze System faul zu sein. Was freilich nichts an der Feststellung ändert, dass das, was durch den McLaren-Bericht über das Dopingsystem in Russland ans Licht kam, ungeheuerlich ist und von einer ganz neuen Dimension in Sachen Doping zeugt.

Ist also der Ausschluss aller russischen Athleten von den Spielen in Rio zwingend? Aus Sicht der Russen ist eine kollektive Verantwortung nicht hinnehmbar. Wie das eben so ist mit Kollektivstrafen, man trifft immer auch Unschuldige damit. Das war beim Ausschluss des Apartheidregimes Südafrikas von den Spielen 1968 der Fall, und auch beim Startverbot für die Vertreter Rhodesiens (heute Zimbabwe) 1972.

Nun aber geht es um Russland, das vielleicht mächtigste Land im Weltsport, Ausrichter der Winterspiele 2014 und Gastgeber der Fußball-WM 2018. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat jedenfalls gestern die Tür für eine Kollektivstrafe weit aufgemacht, indem er den Ausschluss der russischen Leichtathleten für rechtens erklärte. Meint es das IOC also ernst mit der Null-Toleranz-Politik gegenüber Doping, dann bleibt ihm im Grunde genommen keine andere Wahl als den Komplettausschluss Russlands. Womit es jedoch nicht getan wäre, denn anschließend muss der Anti-Doping-Kampf komplett reformiert werden, um des Krebsgeschwürs des Sports endlich Herr zu werden. In seiner jetzigen Form ist er grandios gescheitert.

Egal, wie die Entscheidung des IOC in Sachen Russland ausfallen wird, ein Politikum erster Ordnung sind die Spiele von Rio de Janeiro allemal. Vergleichbar mit den Olympia-Boykotten 1980 und 1984. Von wegen „Lebe deine Leidenschaft“ …