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Europa auf 30.000 Fuß

Europa auf 30.000 Fuß
(Alain Rischard/editpress)

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Die Verdienste von Turcats Generation.

Mit André Turcat ist einer der Großen aus der Zunft der Testpiloten gestorben. Bekannt wurde er als der erste Mensch, der die Concorde in die Luft brachte. Doch war er auch der erste Europäer, der im Horizontalflug die Schallmauer durchbrach. Zudem war er ein sehr kultivierter Mensch, der in Kunstgeschichte promovierte und dieses Fach zehn Jahre lang lehrte. Des Weiteren vertrat er den konservativen RPR im Europaparlament.

Turcat gehörte jener Generation von Ingenieuren, Industriellen, Politikern und Piloten an, denen wir zu verdanken haben, dass es heute noch eine starke, unabhängige europäische Luftfahrtindustrie gibt.
Die staatliche Firma Sud Aviation, in deren Diensten er die Concorde erprobte, wurde (via Aérospatiale) zu einem der Hauptpfeiler von Airbus, einem Konzern, in welchen aber auch Briten, Deutsche, Spanier und Niederländer Know-how und Kapital einbrachten.

Während Briten und Franzosen nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal versuchten, im Alleingang auf den zivilen wie militärischen Weltmärkten zu bestehen (Caravelle, Mirage, One-Eleven, Harrier etc.), war Kriegsverlierer Deutschland vornehmlich (aber nicht ausschließlich, cf. MBB105) mit Lizenzbauten und als Zulieferer drum bemüht, seine beträchtlichen Kompetenzen und seine industriellen Kapazitäten zu erhalten.

Die anglo-französische Concorde zeigte eindrucksvoll, dass die Zukunft für die Europäer in der Kooperation liegen würde – wobei die Franzosen im Bereich Kampfflugzeuge heute noch auf die nationale Karte setzen. Es ist allerdings fraglich, wie lange sie es sich hier finanziell noch werden leisten können, auf oberstem Niveau mitzuhalten. Die Concorde wurde zwar nicht eben zu einem rauschenden kommerziellen Erfolg, und vom ökologischen Standpunkt her wäre sie spätestens nach der COP21 definitiv nicht mehr zu verantworten.

Doch als Technologieträger stellte sie vor gut 45 Jahren zusammen mit dem Airbus A300 unter Beweis, dass Europas Industrie den Amerikanern (und damals auch noch den Sowjets) in nichts nachzustehen brauchte.

Dies war umso wichtiger, als die USA zwar stets den freien Welthandel predigen, andererseits aber oft sehr einfallsreich sind und waren, wenn es darum geht, der ausländischen Konkurrenz die Flügel zu stutzen, wie man z.B. in dem äußerst interessanten Buch Cold War at 30,000 Feet: The Anglo-American Fight for Aviation Supremacy (Harvard, 2007) von Jeffrey A. Engel nachlesen kann.

Westeuropa besitzt heute eine äußerst vitale Luftfahrtindustrie, in der u.a. auch Hersteller aus Italien, Schweden, der Schweiz, Tschechien oder Polen beeindruckende Produkte anbieten.

Diese Industrie ist aber nicht nur dem wundersamen Walten der „unsichtbaren Hand“ zu verdanken, ihre Hauptakteure existieren heute vielmehr, weil dies damals politisch gewollt und durchgesetzt wurde.

fwagner@tageblatt.lu