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Der Gutmensch

Der Gutmensch
(Alain Rischard/editpress)

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Unwort des Jahres 2015 in Deutschland

In Deutschland wurde der Begriff Gutmensch gestern zum Unwort des Jahres 2015 gewählt. Als „Gutmenschen“ seien im vergangenen Jahr insbesondere diejenigen beschimpft worden, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen, erklärte die Jury aus vier Sprachwissenschaftlern, einem Journalisten und einem Kabarettisten.

Mit dem Vorwurf „Gutmensch“ würden Toleranz und Hilfsbereitschaft „pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert“, wodurch ein demokratischer Austausch von Sachargumenten verhindert werde.
In der Onlineversion des Duden wird ein Gutmensch als „(naiver) Mensch, der sich in einer als unkritisch, übertrieben, nervtötend o.ä. empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhält, sich für die Political Correctness einsetzt“, definiert. Diese Definition beinhaltet bereits die abschätzige Verwendung des Begriffs, seinen Gebrauch als Schimpfwort.

Auch in Luxemburg wurde der Begriff in den vergangenen Monaten häufig verwendet. Vor allem in Internetforen und sozialen Netzwerken taucht er regelmäßig auf, um Menschen zu diskreditieren, die sich für eine Sache engagieren und „politisch korrekt“ argumentieren.

Doch die „Political Correctness“, die Anfang der 1990er Jahre noch durchaus positiv konnotiert war, ist im allgemeinen Sprachgebrauch mittlerweile selbst zum Schimpfwort verkommen. Politisch korrekt sein heißt eigentlich, Respekt und Toleranz gegenüber Minderheiten und vermeintlich „Anderen“ zu zeigen. Es bedeutet auch, seinen gesellschaftlichen Status und gegebenenfalls seine Machtposition nicht gegenüber Schwächeren zu missbrauchen. Unter die Schwächeren fallen gemeinhin Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, rechtlich, finanziell oder sozial benachteiligt sind.

Gutmenschen verfügen demnach über die Kompetenz, Empathie zu empfinden, was sie von den Nicht-Gutmenschen unterscheidet, die vorwiegend ihr eigenes Wohlergehen in den Vordergrund stellen. Und Empathie ist die Grundlage jedes menschlichen Zusammenlebens.
Denn der Mensch ist nicht, wie der Liberalismus es uns glauben machen will, ein von Natur aus egoistisches Wesen, das nur seinen eigenen Vorteil sucht. Wer mit dieser Ideologie aufgewachsen ist, mag das für selbstverständlich halten, doch in Wirklichkeit ist der Mensch ein soziales Wesen, das ohne Gemeinschaft nicht bestehen kann. Und dementsprechend verhält es sich auch.

So gesehen sind die meisten Menschen „Gutmenschen“, weil sie nicht wollen, dass jemand ihnen oder einem Mitglied ihrer Gemeinschaft Schaden antut. Die Menschen unterscheiden sich aber darin, wie sie „ihre“ Gemeinschaft definieren. Für manche sind es die Verwandtschaft und Freunde, für andere das Dorf oder die Community, für wieder andere ist es die soziale Schicht, der Staat oder die Nation. Dann gibt es aber auch Menschen, die davon überzeugt sind, dass ungeachtet von sozialen und kulturellen Unterschieden alle Menschen zu ihrer Gemeinschaft gehören. Und manche zählen sogar andere Arten hinzu.

Doch auch die Empathie der Gutmenschen und ihre „Political Correctness“ kennen Grenzen. Denn das „Gutmenschentum“ hört spätestens dort auf, wo Rassismus, Chauvinismus, Sexismus, Homo- und Transphobie und andere Formen der Diskriminierung beginnen.