Mit Reformen ist das so eine Sache. Es gibt notwendige Reformen, die die Leute dennoch verunsichern oder verärgern.
So sind die einzelnen Schritte der Schulreform sicher ein völlig neuer Weg, um unser System an kommende Zeiten anzupassen. Für die meisten Bürger jedoch ist sie ein undurchdringbares Gestrüpp, in dem sie vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen.
Die Kollektivverträge im Gesundheitssektor und die Krankenhausreform sind kein schlechter Wurf. Geredet wird jedoch über lange Wartezeiten bei den IRM und über neue, kostenpflichtige Blutanalysen gekoppelt mit der Forderung, die Politik solle sich in den privatrechtlichen Bereich der Parkgebühren einmischen.
Die Trennung von Kirche und Staat ist geschafft. Geredet wird aber darüber, dass es für viele Eltern ein Schock war, dass sie ausgerechnet im Marienland ihr Kind nun außerschulisch zum Religionsunterricht anmelden müssen. Die Umgestaltung der Pflegeversicherung schafft finanzielle Absicherung bis über 2030 hinaus. Geredet wird hingegen über angeblich nun nicht mehr mögliche Ausgehhilfen.
Die Tram wird als Meilenstein eines zukunftsorientierten Verkehrskonzepts begrüßt. Geredet wird über die Zugverspätungen. Die Radargeräte finden murmelnde Zustimmung von allen Seiten. Geredet wird darüber, dass sie kein Auge zudrücken und unbarmherzig auch 72 km/h bestrafen, wo nur 70 erlaubt sind.
Reformen und Neuheiten haben immer gelebte und gefühlte Nebenaspekte. Oppositionsparteien leben u.a. davon, diese wie kleine Feuerchen am Brennen zu halten.
Es gibt auch Reformen oder die Forderung danach, die verunsichern und verärgern, weil sie völlig unnütz sind. So verlangt die CSV eine Rentenreform. Dabei erregt Luxemburg mit Faktor 4,6 bei seinen Reserven weltweit Neid. Wird ab morgen kein Euro mehr in die Rente eingezahlt, kann das Land noch vier Jahre und sechs Monate lang die Renten auszahlen. Bei unseren Nachbarn sind es nur Monate. Das weiß auch die CSV.
Und es gibt Reformen und Änderungen, die verunsichern und verärgern, weil sie ausbleiben.
Der Wohnungsmarkt gehört dazu, die Reform des «Tiers payant» oder die Gestaltung des Mindestlohns. Über 46.000 müssen jeden Monat versuchen, mit diesem klarzukommen. Am Monatsende sind vielen Bürgern Arztbesuche mit den Kindern oft nur möglich, wenn das Kindergeld rechtzeitig kommt. Und der Betrag bei über 100 Euro liegt. Denn nur in dem Fall kann man am gleichen Tag bei der Gesundheitskasse vorstellig werden, um das Geld zurückzubekommen. Fast 236.000 solcher Schecks hat die CNS im letzten Jahr ausgestellt. Auch Alleinstehende mit Kindern und Leute, die knapp über dem Mindestlohn liegen, sind betroffen. Fast schon ein Armutszeugnis für Luxemburg. Statt nun Sturm zu laufen, um den Mindestlohn zu erhöhen, tun sich die Parteien schwer mit der OGBL-Forderung nach einer Erhöhung von 10%.
Im anstehenden Wahlkampf werden es die Regierungsparteien nicht leicht haben, mit den Inhalten ihrer umgesetzten Reformen zu punkten. Die politische Diskussion wird sich auf das konzentrieren, was den Bürger am meisten sorgt. Scheinbar Unnützes kann Bedeutung erlangen, Ausgebliebenes eine ablehnende Haltung bewirken. Denn Inhalte sind dem Wähler wohl wichtig, doch was zählt, ist der gefühlte Alltag.
Manche Minister legen sich aber auch so ungelenk an, dass man schreien könnte. Wenn Frau Mutsch gesagt hätte, sie würde sich um die Sache mit den Parkgebühren kümmern, aber sie könnte nichts versprechen, da... wäre das viel schlauer gewesen als gleich zu sagen, das gehe sie nichts an. Solche Verhaltensweisen werden als arrogant wahrgenommen und kosten massig Stimmen.
Wer am gefühlten Alltag der Bürger vorbei regiert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er abgewählt wird.