44 Prozent. Beim ersten Blick auf die Tabelle möchte man seinen Augen nicht so recht trauen. Und doch sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Fast die Hälfte der von uns befragten ADR-Wähler würden in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl für die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen stimmen. Dies geht aus der jüngsten IFOP-Studie hervor, die im Auftrag des Tageblatt durchgeführt und publiziert wurde.
Verwundern dürfte es eigentlich niemanden, wurde und wird etwa die Affäre um ein peinlich radikales Parteimitglied immer noch als Kavaliersdelikt abgetan. Zwar reagierte die ADR nach dem x-ten Ausrutscher des Politikers mit dem Parteiausschluss – dabei war die Episode nur symptomatisch für die tiefen Grabenkämpfe, die in der Partei stattfinden. Nun könnte man einwenden: „So what?“ Zu klein und irrelevant ist die ADR, als dass sie an dieser Stelle derart hervorgehoben werden sollte und müsste.
Dem wäre auch so, stünden nicht demnächst Kommunal- und anschließend Nationalwahlen auf der Tagesordnung. Genau dort könnte eine gewisse CSV am Ende auf diese Partei angewiesen sein, die sich laut unserer Umfrage teilweise aus Mitgliedern zusammensetzt, die mit Frankreichs brauner Soße sympathisieren. Allerdings zeigt die gleiche Umfrage wiederum, dass Luxemburgs Volksparteien im Gegensatz zur ADR nur minimal von Le-Pen-Sympathisanten gewählt werden.
Verwirrend oder erschreckend, man will sich nicht so recht entscheiden, ist dennoch das Verhalten eines Teils der befragten déi gréng-Wähler: Immerhin 13 Prozent von ihnen würden sich in der ersten Runde der „Présidentielles“ hinter Le Pen stellen. Bei der CSV wären es 8, bei der DP knapp 6 und bei der LSAP noch 4 Prozent. Nun kann man diese Menschen ebenfalls wie so oft als Randphänomene abtun, da über die Parteigrenzen hinweg Emmanuel Macron der gleichen Umfrage zufolge „everybody’s darling“ ist.
Aber wäre dies nicht der fatale Fehler, den viele Politiker in den letzten Krisen begangen haben? Alle Protestwähler als Nazis abzutun, wäre zu einfach, sie in Schutz zu nehmen wiederum eine nicht hinnehmbare Toleranz für Intoleranz. Demnach ist ein kühler, normativ nicht vorgefärbter Blick ratsam. Dass selbst im kleinen Luxemburg, wo 45 Prozent der Staatsbürger Macron wählen würden, immerhin 9 Prozent ihre Stimme einer offen rechtsradikalen Politikerin gäben, sollte gerade für politische Führungskräfte ein Warnsignal sein.
Unsere Momentaufnahme steht im direkten Widerspruch zu dem in Luxemburg gepflegten „Bei eis gëtt et sou eppes net“-Mantra. Dabei hat gerade diese Vogel-Strauß-Politik von Parteien wie dem PS oder Les Républicains in Frankreich dazu beigetragen, dass Phänomene wie der ätzende Le Pen Senior sich entfalten konnten. Tochter Marine musste eigentlich nur den über die Jahre gesäten Hass ernten, Papa per Parteiausschluss einen Klaps geben – sich aber weiter von ihm finanzieren lassen –, und schon war der Weg frei für eine mit Blick auf das Wahlergebnis ernst zu nehmende rechtsradikale Politikerin.
Luxemburg ist zum Glück noch weit von solchen Zuständen entfernt. Allerdings haben das „3x Nein“-Referendum und zuletzt auch die giftige Sprachendebatte gezeigt, dass das Großherzogtum seine Offenheit und Toleranz nur wahren kann, solange die Rolle der Politik nicht nur darin besteht, die typische Symptombekämpfung à la luxembourgeoise zu betreiben. Zu was diese Form der Politik führt, könnte sich bereits am Sonntag in Frankreich zeigen.
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