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Die Seele verkauft

Die Seele verkauft
(Alain Rischard/editpress)

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Was NFL und Co. Europa voraus haben

Heute fällt in Denver der Startschuss zur neuen Saison der American-Football-Profiliga NFL. Die NFL verkörpert dabei alles, was der Amerikaner am Sport so liebt: Action, Spannung, Show und Kommerz. Und obwohl sich so gut wie alles im US-Sport ums Geldverdienen dreht, ist das System Profisport in Übersee doch inzwischen um einiges ausgewogener als das in Europa.

Die Amerikaner haben früh begriffen, dass Chancengleichheit eine wesentliche Zutat im Erfolgsrezept des Sports ist. Und während in der amerikanischen Wirtschaft der kapitalistische Wildwuchs herrscht, gibt es im US-Sport dank Salary Cap (Gehaltsobergrenze pro Team) und Draft-System (Zugriffsrecht für Neuverpflichtungen) klare Regeln, die für die Ausgeglichenheit der Ligen sorgen. Resultat am Beispiel NFL: In den letzten acht Jahren gab es acht verschiedene Meister.

Im europäischen Fußball geht man derweil in genau die entgegengesetzte Richtung. Im Titelrennen der Meisterschaften in Deutschland, Italien oder Frankreich (um nur diese zu nennen) war die spannendste Frage in den letzten Jahren nicht, wer Meister wird, sondern ob der Meister schon im März oder doch erst im April feststehen würde.
Die Berechenbarkeit wird in Zukunft noch größer. Schuld daran ist die bereits vor zwei Wochen an dieser Stelle thematisierte Reform des Europapokals. Inzwischen sind die erschreckenden Details bekannt. In der Tat werden durch die Reform der Königsklasse des europäischen Fußballs, der Champions League, die reichen Vereine deutlich reicher, während die Einnahmen der kleineren Vereine mehr oder weniger gleich bleiben. Das beweisen die Rechenbeispiele nach dem neuen Startplätzesystem und vor allem dem neuen Verteilschlüssel der Einnahmen. Im Klartext heißt das, dass der FC Barcelona, Real Madrid, Bayern München, Juventus Turin sowie die Großklubs aus Manchester und London ein doppelt so großes Stück des Kuchens abbekommen werden und dadurch quasi über Jahre hinweg die Champions League dominieren dürften.

Es wird einen geschlossenen Kreis von rund 20 Champions-League-Großklubs geben, in den einzubrechen für kleinere Vereine schwierig bis unmöglich sein wird. Überraschungssieger wie den FC Porto 2004 oder gar Ajax Amsterdam 1995 wird es mit 99-prozentiger Sicherheit in Zukunft nicht mehr geben.
Bleibt die Frage, wie so etwas überhaupt vom europäischen Fußballverband UEFA, der schließlich nicht nur die großen, sondern gleich 55 Landesverbände vertritt, akzeptiert werden konnte. Die Antwort ist banal: Die Reform ist auf dem Mist der von den Großklubs dominierten European Club Association (ECA) gewachsen und die nutzte das durch die Sperre von Präsident Michel Platini entstandene Machtvakuum innerhalb der UEFA. Es reichte, mit dem Damoklesschwert Superliga zu wedeln, um die Reform durchzubringen.

Für europäische Fans gibt es demnach keinen Grund mehr, die Nase über das Showgeschäft der US-Profiligen à la NFL zu rümpfen. Denn es ist Europas Fußball, der dem Diktat des Geldes hoffnungslos erlegen ist und drauf und dran ist, seine Seele zu verkaufen.