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EditorialPolitische Mitbestimmung liegt im Trend

Editorial / Politische Mitbestimmung liegt im Trend
Die Meinung der Düdelinger ist bei verschiedenen Projekten gefragt Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Den Bürger an Entscheidungsprozessen zu beteiligen bedeutet, in ihm mehr zu sehen als nur einen Wähler, der sein Kreuzchen in der Wahlkabine macht. Seit ein paar Jahren setzen einige Politiker verstärkt auf die Expertenmeinung ihrer Einwohner. Das ist in Düdelingen oder Esch/Alzette und in einigen anderen Gemeinden des Großherzogtums zu beobachten. Im Süden des Landes wird bei größeren Wohnbauprojekten auf Bürgerbeteiligung gesetzt. In der Hauptstadt hingegen fordern die Einwohner, wie die Vereinigung „Eis Stad“, ihr Mitspracherecht bei Projekten bezüglich der Stadtplanung zunehmend aktiv ein.

In Luxemburg steckt diese Art von Mitspracherecht für die Einwohner noch in den Kinderschuhen. Dabei sind solche Initiativen wichtig, um die Lokalpolitik näher an die Menschen zu bringen. Die Bürger können sich so selbst ein Bild von den Abläufen der verschiedenen Projekte machen. Dabei wird klarer, worüber die Gemeindeverantwortlichen gerade keine Entscheidungsmacht haben. Vieles liegt in staatlicher Hand.

Bleibt immer die Frage, inwiefern die Ergebnisse der Bürgerbeteiligungen umgesetzt werden oder in einer Schublade verschwinden, wenn es kein ernst gemeintes Vorhaben war, sondern nur um den Prozess an sich ging.

Die Stadt Trier sieht – als eine der ersten Städte Deutschlands – bereits seit 2009 einen online-gestützten Bürgerhaushalt vor. Düdelingen möchte einen ähnlichen Weg einschlagen und plant die Ausarbeitung eines Bürgerhaushalts für das Jahr 2021. Die Stadt hat bereits einige Erfahrungen im Bereich der aktiven Beteiligung ihrer Einwohner gesammelt: etwa bei der Ausarbeitung punktueller Flächennutzungspläne oder auch bei den lokalen Buslinien. Seit einigen Jahren bestehen die partizipativen Projekte wie das Bürgerforum und der Kinder- und Jugendgemeinderat, bei denen die jungen Düdelinger bereits früh an die Kommunalpolitik herangeführt werden. Wobei bei solchen freiwilligen Initiativen die Gefahr besteht, dass sich immer nur dieselben Menschen beteiligen, die sich nun einmal verstärkt einbringen wollen.

Vor kurzem hat der Bürgerrat zum zweiten Mal getagt. In den Sitzungen geht es vor allem um das alltägliche Leben in den einzelnen Vierteln und wie dieses verbessert werden kann. Die Zusammensetzung des Rates soll sich möglichst heterogen gestalten: Menschen verschiedener Altersklassen und unterschiedlicher Nationalitäten sollen zu Themen und Problemen nach eigener Wahl diskutieren. Die Teilnahme erfolgt durch Auslosung: Eine gute Möglichkeit, um auch diejenigen miteinzubeziehen, die sich ansonsten nicht viel mit Politik beschäftigen und bei denen politische Themen einfach nicht zum Alltag gehören. Die Ideen, die in den Sitzungen zusammenkommen, werden an die zuständigen Dienste weitergeleitet. Nun bleibt abzuwarten, wie ernst die Gemeindedienste die Vorschläge nehmen.

Mit dem Bürgerrat geht Düdelingen erste wichtige Schritte in Richtung einer partizipativen Demokratie, vor allem da sich dieses Gremium aus allen Bevölkerungsteilen zusammensetzt. Dieses Modell der Mitbestimmung steckt erst in den Kinderschuhen, doch könnten sich andere Ortschaften des Landes daran ein Beispiel nehmen. Denn deren Einwohner werden ihr Mitspracherecht so oder so irgendwann einfordern.

Tom Müller
29. Februar 2020 - 14.42

In Zeiten wo sogar reguläre Wahlen auf Anordnung von oben 'rückgängig' gemacht werden (Thüringen) oder freie demokratische Entscheidungen eines Volkes (Brexit) medial verteufelt werden, kann der Titel dieses Artikels nur ironisch gemeint sein.