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Die digitale Gefahr

Die digitale Gefahr
(Alain Rischard/editpress)

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Fragwürdiger Umgang mit Gesundheitsdaten

Die Digitalisierung der Gesundheitsdaten schreitet mit großen Schritten voran. Was sich zunächst nach einem erfreulichen Fortschritt anhört, könnte kranke Menschen an den Rand unserer Gesellschaft drängen. Schuld an dieser Entwicklung sind sowohl Reformen der Politik als auch das unbedachte Benehmen einzelner Bürger.

Unbestritten können digitale Gesundheitsakten unter Umständen Leben retten. Wenn nach einem Unfall alle überlebenswichtigen Daten der Opfer wie die Blutgruppe, Allergien und Krankheiten digital aufgerufen werden können, optimiert das die Behandlung. Auch das luxemburgische Gesundheitsministerium und die staatliche „Agence eSanté“ rühren die Werbetrommel für die elektronische Gesundheitsakte DSP („Dossier de soins partagé“), die sich derzeit im Großherzogtum in einer Pilotphase befindet. Auf der Homepage der „Agence eSanté“ werden die
Sicherheitsvorkehrungen (eine „verschlüsselte Speicherung“ und eine „starke Authentifizierung der Benutzer“) sowie die Rechte der Patienten (Entscheidung, wer auf das DSP zugreifen darf) hervorgehoben. Die „Agence eSanté“ schlussfolgert, dass jeder „aktiver Teilnehmer der eigenen Gesundheitsversorgung“ werde. Die elektronische Patientenakte spaltet allerdings trotz ihrer auf den ersten Blick positiven Wirkung die Gemüter, und dies nicht zu Unrecht.

Die Werbung der „Agence eSanté“ kann auf den ersten Blick durchaus überzeugen, allerdings vergisst sie, auf die nicht zu unterschätzenden Gefahren hinzuweisen. Sollte es ein Datenleck geben oder eine zukünftige Gesetzgebung den Zugang zu den Patientendaten lockern – was nie auszuschließen ist –, warten bereits viele interessierte Abnehmer auf die sensiblen Daten: Krankenkassen, Arbeitgeber und Versicherungen. Hohe Zuschläge für Versicherte oder Arbeitslosigkeit für Personen mit einer „negativen“ Gesundheitsakte könnten die Folge sein. Der Bloßstellung und Diskriminierung von kranken Menschen wären Tor und Tür geöffnet.

Dabei wäre eine vom Staat eingeführte digitale Gesundheitsakte nur ein Teil des Problems. Unser unbedachter Umgang mit Gesundheitsdaten ist ebenfalls nicht ungefährlich. Beispielhaft hierfür sind die Fitnessarmbänder. In unserem Nachbarland Deutschland hat die Techniker-Krankenkasse (TK) bereits angekündigt, auf die Daten der Armbänder zurückgreifen zu wollen. Zukünftig könnten Personen mit gesunden Daten durch Bonusprogramme belohnt werden. Und wieder würden kranke Bürger von fitten Personen an den Rand gedrängt werden. Schlimmstenfalls könnten die Daten einer Fitnessuhr zukünftig darüber entscheiden, wer eine Krankenversicherung zu welchen Bedingungen erhält. Das Solidarprinzip, laut dem jeder in der Krankenkasse aufgenommen wird und die Kosten des Einzelnen gemeinsam getragen werden, wird durch die aktuelle Entwicklung infrage gestellt. Der deutsche CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn sprach im Kontext der Diskussionen über die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in der Bundesrepublik davon, dass „übertriebener Datenschutz nur was für Gesunde“ sei. Dabei ist offensichtlich das Gegenteil der Fall.