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Checks and Balances

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Politkrimi um den Supreme Court

Die amerikanische Präsidentschaftswahlkampagne war ja schon eh ziemlich interessant, doch durch den Tod des erzkonservativen Obersten Richters Antonin Scalia ist nun noch ein weiteres dramatisches Element hinzugekommen.

Dass die Republikaner Präsident Obama sofort das Recht absprechen wollten, die Ernennungsprozedur für einen Nachfolger in die Wege zu leiten, macht deutlich, welche zentrale Rolle der Supreme Court im US-amerikanischen Machtgefüge einnimmt.

Richtermandate auf Lebenszeit

In der Struktur der „Checks and Balances“ sollen gerade diese Richter garantieren, dass die 1787 in ihrer Ursprungsfassung angenommene Verfassung, die mit den berühmten Worten „We the People …“ beginnt, peinlichst genau respektiert wird. Kein Präsident und kein Kongress soll mit diesem heiligen Gesetzeswerk Schindluder treiben dürfen. Und deshalb besitzt dieses Gremium eine große Unabhängigkeit, was man u.a. daran erkennen kann, dass die Richtermandate auf Lebenszeit gelten.

Wie wichtig diese Unabhängigkeit ist, sieht man in der Tat gegenwärtig am Beispiel Polen, wo das autoritär veranlagte Kaczynski-Regime nur zu genau wusste, weshalb es als eine seiner ersten Amtshandlungen die Verfassungsgerichtsbarkeit kaltzustellen suchte.

Klingt schön, funktioniert aber nicht immer

Der Supreme Court als unerschütterlicher Fels in der Brandung der demokratischen Machtspiele. Klingt schön. Funktioniert in der Realität aber leider nicht immer so makellos und ideal. Denn selbst höchstrangige Richter sind auch nur Menschen. Und zwar solche mit tief verankerten politischen Überzeugungen, die sie selbstverständlich nicht einfach – schnapp! – ausschalten können, sobald sie berufen sind, ihres Amtes zu walten.

Wofür Scalia ein gutes Beispiel war: Verschiedene seiner Aussagen zu den Rechten von Gays oder Frauen waren in der Tat nicht einfach nur konservativ, sondern geradezu reaktionär. Natürlich war er ein erstklassiger, extrem belesener und eloquenter Jurist, stets in der Lage, diese seine Ansichten mit Lawinen von gelehrten und für den Laien natürlich nicht leicht zu konternden Argumenten zu rechtfertigen.

Politkrimi

Trotzdem konnte man gerade daran erkennen, wie schwer es mitunter sein kann, aus einem fast 230-jährigen Text Schlussfolgerungen in Bezug auf heutige juristische Probleme zu ziehen. Probleme, deren schiere Existenz den „Framers“, also den Vätern der Verfassung, damals noch gar nicht bekannt waren. Was hielten die Altvorderen vom Recht auf Abtreibung, von Genmanipulation oder dem Einsatz von Nuklearwaffen? Da kann man nur spekulieren, und zwar ähnlich, wie es jene Leute tun, die angeblich die Frage „What would Jesus do?“ zur Richtschnur ihres Handels erkoren haben wollen. Oder aus dem Koran eine Handlungsanleitung zur Nutzung des Weltalls herzuleiten suchen.

Die Richter des Supreme Court sind wohl die mächtigsten der Welt. Und die Macht der Politiker ihnen und ihrer Institution gegenüber kommt eigentlich nur bei der Prozedur ihrer Ernennung zum Tragen. Gerade deswegen verspricht sich das Tauziehen um die Neubesetzung von Scalias Posten noch zum echten Politkrimi auszuwachsen.