Es war sicherlich kein Leichtes für die 27 EU-Staats- und Regierungschefs, am Samstag in Rom den feierlichen Rahmen mit der nötigen Laune auszufüllen. Denn auch wenn die letzten 60 Jahre den in der EU vereinigten Staaten eine nie gesehene Periode des Wohlstands und des Friedens gebracht haben, scheint die Union heute so zerbrechlich wie noch nie.
Denn wie sonst ließe sich erklären, dass selbst eine Wahl in den Niederlanden, wo der ausgewiesene EU-Gegner Geert Wilders die meisten Stimmen hätte erhalten können, ohne aber die geringste Aussicht zu haben, eine Regierung zu bilden, Bangen und Schrecken in den europäischen Staatskanzleien und anderen Entscheidungszentren der EU auslösen konnte?
Es sind vor allem der Brexit, die Uneinigkeit und mangelnde Solidarität in den Flüchtlings- und Migrationsfragen sowie die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, in deren Folge den Bürgern in Europa klar wurde, dass es längst nicht mehr gerecht in diesem Europa zugeht, die zu dieser Situation geführt haben.
Banken wurden gerettet und Menschen hängen gelassen, in manchen EU-Staaten mussten die Bevölkerungen harte Einschnitte in Kauf nehmen, während von vielen großen Unternehmen zig Milliarden Euro an Steuern nicht gezahlt wurden. Das gibt den Populisten Auftrieb, nährt ihre wenigen Argumente.
Antworten darauf, wie dieser Missstand behoben, wie wieder Gerechtigkeit in der Gesellschaft, aber auch zwischen den Völkern in der EU hergestellt werden soll, gab es bisher noch keine. Auch nicht am vergangenen Wochenende in Rom, wo die 27 eine zwar wohlklingende, aber doch nur unverbindliche Erklärung verabschiedeten.
Diese spricht zwar viele der gegenwärtigen Probleme in Europa an. Doch lässt sich daraus nicht automatisch eine Hinwendung zum Besseren ableiten.
Dabei naht mit den französischen Wahlen das nächste Ereignis, das durchaus Potenzial hat, die Union aus den Fugen geraten zu lassen. Gestern prophezeite die Rechtsextreme Marine Le Pen der EU den Tod, wenn sie Präsidentin in Frankreich werden sollte.
„L’Union européenne va mourir“, versprach sie ihren Wählern in Lille, denn sie werde als Hausherrin im Elysée-Palast die Wähler über die weitere EU-Mitgliedschaft Frankreichs entscheiden lassen. Das Vertrauen in die Vernunft und die Verbundenheit der Franzosen mit der EU ist groß, auch wenn es ein rebellisches Volk ist. Doch wer hatte nicht auch auf den Pragmatismus und die Besonnenheit der Briten vertraut?
Allerdings gibt es auch Zeichen der Hoffnung. Immer mehr Menschen engagieren sich und scheinen offenbar zu erkennen, dass wenn sie jetzt nicht aktiv werden, sie den Falschen das Feld überlassen. Dazu hat sicherlich der Brexit beigetragen.
Doch auch das abschreckende Beispiel in den USA dürfte eine gewisse Wirkung entfalten. Insofern war an diesem Wochenende nicht nur das Gipfeltreffen der 27 in Rom von Bedeutung, sondern auch die vielen proeuropäischen Kundgebungen in einer Reihe von EU-Staaten, in denen sich die Menschen zur EU bekennen.
Es ist zu wünschen, dass nicht nur die Einmischung der Bürger und die Zahl dieser Demonstrationen zunehmen, sondern dies von den Politikern als Auftrag verstanden wird, entsprechend zu handeln.
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