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Atatürk posthum ermordet

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Der Neosultan pfählt die Republik

Es war eigentlich sicher, dass er sich einmal mehr danebenbenehmen würde, und er hat uns nicht enttäuscht: Mit seinen Gratulationen zu Erdogans Erhebung zum Despoten hat Donald Trump erneut bewiesen, dass er seines hohen Amtes in keiner Weise würdig ist.

Die USA gerieren sich ja mit Vorliebe weltweit als Herolde und Verteidiger der Freiheit, doch dann kommt der Potus und beglückwünscht einen orientalischen Gewaltherrscher zu seinen Fortschritten bei der Abwrackung der Demokratie.
Der Sonntag war ein trauriger Tag für Europa, denn er hat die Annäherung der Türkei, die jahrhundertelang als europäische Großmacht und schließlich – bis zur Gründung der Republik – als der „kranke Mann Europas“ galt, auf absehbare Zeit gestoppt.

Mit Erdogans Sieg wurden die Hoffnungen von Millionen weltoffenen, progressiven, laizistischen Türken auf ein Leben in einer modernen Demokratie zunichtegemacht. Ihnen muss nun die Solidarität aller demokratisch gesinnten Europäer gelten, denn über der Türkei wird es dunkel. Das rückständige Hinteranatolien hat dem fortschrittlichen Teil der Nation das Licht und die Luft zum Atmen abgedreht.

Erdogan tönte, dass er fortan nur dem Volk und Gott zu Diensten sein werde. In der Realität heißt das aber nichts anderes, als dass er sich mit voller Kraft in den Dienst seiner eigenen megalomanen Machtfantasien stellen wird.
Die Interessen des „Volkes“ gehen Tyrannen nämlich grundsätzlich am Podex vorbei: Denn solche Leute hegen eine abgrundtiefe Verachtung für alle Menschen, die sich ihnen unterwerfen. Vor allem, wenn sich diese Menschen ihrer sämtlichen Würde begeben, indem sie auch noch freiwillig auf ihre Freiheit verzichten.

Nach dem Brexit wurde nun auch in der Türkei eine fundamentale Kursänderung eines Landes mit einer hauchdünnen Mehrheit herbeigeführt. Wie Großbritannien wird auch die Türkei nach dieser Volksumfrage zutiefst gespalten sein.
Und während beim Brexit Leute den Ausschlag gaben, die offensichtlich nicht verstanden hatten, was auf dem Spiel stand, verzichten in der Türkei jene Teile der Bevölkerung leichten Herzens auf ihre Freiheiten, welche diese ohnehin kaum jemals genutzt haben.

Aber sie haben die Freiheit anderer Menschen kaputt gemacht und dem religiösen Obskurantismus Tür und Tor geöffnet.

Erdogan hatte einmal angekündigt, die Demokratie sei wie die Tram, man nehme sie, bis man am Ziel angekommen sei, und steige dann aus. Genau dies geschieht jetzt. Der Neosultan pfählt die Demokratie und macht Atatürk, dem 1938 eines natürlichen, wenn auch ausgesprochen unislamischen Todes (Leberzirrhose) verstorbenen Gründer der Republik, nachträglich den Garaus.