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Lust zu lesen „Zusammenkunft“ von Natasha Brown knüpft an die aktuelle Rassismus-Debatte an

Lust zu lesen  / „Zusammenkunft“ von Natasha Brown knüpft an die aktuelle Rassismus-Debatte an
Natasha Brown Foto: Suhrkamp-Verlag

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Wenn die Handlung in diesem Roman etwas nicht ist, dann eine gesellige Zusammenkunft, wie der Titel ironisch suggeriert, eher ein Aufeinanderprallen, ein Sich-Aneinander-Stoßen. Zwar trifft man sich immer wieder, im Büro, mit den zukünftigen Schwiegereltern, auf einem Familienfest, aber die Hauptfigur in Natasha Browns Roman, eine junge Frau, erfolgreich im Finanzsektor arbeitend, fühlt sich aufgrund ihrer schwarzen Hautfarbe und als Frau ausgegrenzt.

Immer wird sie von allen beobachtet, erfährt Demütigungen am Arbeitsplatz. Um nach oben zu kommen, hat sie sich ein Leben lang angepasst, sich immer wieder in sexistischen oder rassistischen Situationen „Es war nichts“ gesagt und weitergemacht, nach der Devise: „Es gibt keinen Erfolg, nur das vorläufige Abwenden des Versagens.“ Aber nun hat sie einen Tumor in der Brust und überlegt, alles fahrenzulassen.

Bemerkenswert an diesem Debütroman ist die Form, ein Album mit Polaroids, die kurz einzelne Szenen zeigen, so die Momente scharf konturieren, ohne sich im deskriptiven Beiwerk zu verirren. Wunderbar sind auch die immer wieder gestochen scharfen Formulierungen, die die verdeckte Motivation der Figuren beschreiben. Über die Beziehung zu ihrem weißen Freund aus reichem Milieu heißt es: „Seine Anwesenheit bürgt für meine, versichert ihnen, dass es sich bei mir um die richtige Art von Diversität handelt. Im Gegenzug verschaffe ich ihm eine gewisse liberale Glaubwürdigkeit. Nehme ihm etwas vom politischen Handicap seines alten Geldes. Garantiere seine Position links der Mitte.“ So treffend diese Wahrnehmung sein kann, die Protagonistin kommt gar nicht auf die Idee zu denken, wir lieben uns. Das Gefühl, andere sähen sie als Mensch zweiter Klasse und die Gesellschaft werde sie niemals akzeptieren, ist so tief verankert, dass außer Angst und Sich-fremd-Fühlen nichts an Emotionalität übrigbleibt. Ihre Arbeitskollegin Rach sagt an einer Stelle: „Die Opferrolle ist eine Entscheidung.“ Sie besteht darauf, dass sich im Laufe der Jahrzehnte vieles verbessert habe. Und damit greift der Roman direkt in die aktuelle Rassismus-Debatte zwischen denjenigen, die der weißen Gesellschaft ein nicht lösbares strukturelles Problem attestieren, und denjenigen, die die Unterscheidung in Opfer und Täter in unseren heutigen Gesellschaften zu simpel finden.

Um beim bereits erwähnten Bild der Polaroids zu bleiben: „Zusammenkunft“ startet mit sehr gelungenen verschriftlichten Fotos, häuft mit der Zeit aber zu viele Varianten eines gleichen Motivs ins Album. Das liegt natürlich an der Sichtweise der erzählenden Protagonistin, die überall Diskriminierung sieht. Aber so ganz wird man als Lesender das Gefühl nicht los, dass der Autorin am Schluss die politische These wichtiger war als die literarische Verarbeitung. GuH

Natasha Brown<br />
„Zusammenkunft“<br />
Aus dem Englischen übersetzt von Jackie Thomae<br />
Suhrkamp-Verlag<br />
113 S., 20 Euro
Natasha Brown
„Zusammenkunft“
Aus dem Englischen übersetzt von Jackie Thomae
Suhrkamp-Verlag
113 S., 20 Euro