Weltweit blühen Pflanzen immer früher und führen uns nach Ansicht von Botanikern damit deutlich den Klimawandel vor Augen. Die sogenannten phänologischen Jahreszeiten markieren diesen Rhythmus. Zehn Abschnitte kennzeichnen Blüte, Fruchtreife und Blattfall unserer Pflanzen. Doch die Abschnitte des Frühjahrs verschieben sich immer weiter nach vorn. Ob Haselnuss als Starter, Kirsche oder Apfel – immer früher blüht es und immer eher beginnen Vorfrühling, Erstfrühling und Vollfrühling, die drei Frühjahrsboten der phänologischen Uhr. Doch neben dem vorzeitigen Einsetzen der ersten freundlichen Jahreszeit nach monatelanger Winterpause kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Der steigende Kohlendioxidgehalt der Luft regt das Pflanzenwachstum zusätzlich an, es verhält sich wie ein Dünger aus der Luft.
Ein Forscherteam der Peking-Universität in China und der Universität Augsburg hat in Zusammenarbeit mit weiteren Wissenschaftlern aus Deutschland, Großbritannien, Spanien, Belgien, Frankreich, Australien und den USA festgestellt, dass diese frühere und intensivere Begrünung im Frühjahr weitreichende Folgen hat. Der vorzeitig ergrünende Planet geht mit einem erhöhten Wasserverlust der Böden durch Verdunstung einher. Dieser Wassermangel kann jedoch nur in Teilen durch mehr Wolken oder Regen ausgeglichen werden. Die Folge ist ein größeres Risiko von Dürren und Hitzeextremen in den darauffolgenden Sommermonaten. So sind die Ergebnisse der Studie jüngst in der Fachzeitschrift Science Advances zu lesen.
Verschiebung der phänologischen Uhr
Nach dem phänologischen Kalender dauert der Winter etwa 113 Tage, an denen die Pflanzenwelt Ruhe hält. Was für die Natur Erholung ist, ist für Menschen oft Tristesse. Grund zur Freude kommt auf, wenn mit Schneeglöckchen und den Blüten der Haselnuss erste Boten des Erwachens der Natur auftauchen. Die aktuelle Studie bestätigt, dass seit Jahrzehnten dieses Erwachen immer früher beginnt. Gut dokumentiert an der japanischen Kirschblüte. An kaum einer Pflanze lässt sich die Veränderung der phänologischen Jahreszeiten so gut feststellen wie an dieser. Die Daten des Kirschblütenfestes werden seit dem neunten Jahrhundert aufgezeichnet. Anhand dieser Unterlagen lässt sich erkennen, dass die Blüte der japanischen Kirsche heutzutage früher als je zuvor in den letzten 1.200 Jahren beginnt. Ähnliche Beobachtungen machten Biologen auch in Europa: Seit 1961 hat sich der Beginn der Haselnussblüte um 26 Tage nach vorn verschoben.
Doch diese Verschiebungen bergen auch Risiken: Neben der Gefahr eines späten Frosts, der die Blüten zerstört, beeinflusst die frühere Blüte auch das Klima des kommenden Sommers. Auswertungen von Satellitendaten und Klimasimulationen zeigen, dass durch die frühzeitige Begrünung des Frühlings die Böden in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre im Sommer trockener werden können. Zu dieser Schlussfolgerung kamen Xu Lian von der Universität Peking und seine Kollegen.
„Es gibt wachsende Befürchtungen, dass ein früherer Beginn der Vegetationsperiode durch die vermehrte Evapotranspiration zu Feuchtigkeitsdefiziten im späten Frühjahr führt – das könnte dann Sommerdürren fördern“, berichten die Forscher. Anders ausgedrückt: Wenn die Pflanzen früher mit dem Wachsen und der Photosynthese beginnen, benötigen sie mehr Wasser und geben auch mehr Wasserdampf über ihre Blätter ab. „Das ‚verlorene Wasser‘ verschwindet jedoch nicht, ein Teil davon kehrt später als Niederschlag über Land zurück“, erklärt Lian. Doch ob dies den Wasserverlust ausgleichen kann, war bislang unklar.
Die Auswertungen der Forscher ergaben: In den meisten Bereichen der Nordhalbkugel zieht das frühe Ergrünen tatsächlich eine verringerte Bodenfeuchte nach sich. Dieses Defizit bleibt vielerorts bis in den Sommer hinein bestehen und begünstigt dann Dürren und – durch eine geringere Verdunstungskühlung – auch Hitzeextreme. Laut der aktuellen Studie zeigt sich dieser Effekt vor allem in Europa, dem östlichen Nordamerika und Teilen Asiens: In den Gebieten, in denen die Vegetation im Frühjahr während der letzten 30 Jahre besonders früh ausgetrieben hat, ist auch die Bodenfeuchte im Sommer gesunken.
Schäden nehmen bedenklich zu
Die Studie schränkt diesen Effekt jedoch für intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftete Flächen ein. Da diese meist künstlich bewässert werden, können die Aussagen der Studie hier nicht signifikant verifiziert werden.
Dies gilt auch für Gebiete Mittelsibiriens. Auch hier ergrünt die Pflanzenwelt deutlich früher als noch vor Jahrzehnten, trotzdem aber sind die Böden im Sommer sogar eher feuchter als noch zuvor. Einen Grund dafür sehen die Wissenschaftler in atmosphärischen Strömungen: „Der im Frühjahr über Europa zusätzlich an die Atmosphäre abgegebene Wasserdampf wird durch Westwinde nach Sibirien transportiert. Dies befeuchtet die lokalen Böden und gleicht so das Feuchtigkeitsdefizit durch das frühe lokale Ergrünen aus.“
Ungeachtet dieser Ausnahmen zeigt die vorliegende Studie einen nicht zu vernachlässigen Trend auf. Zwar warnt der Schweizer Klimaforscher Sebastian Sippel von der ETH Zürich, eine Beobachtung von Zusammenhängen zwischen früh eintretendem Frühjahr und nachfolgenden Sommerdürren über wenige Jahrzehnte könne nicht signifikant sein. Doch die Ereignisse der vergangenen Sommer scheinen den Thesen der Studie zumindest nicht entgegenzustehen. Um eine genauere Verifizierung vornehmen zu können, wollen die Forscher um Xu Lian ihr Modell nun an der Entwicklung auf der Südhalbkugel überprüfen.
Tatsache ist unbestritten, dass die anhaltenden Trockenperioden in den vergangenen Jahren zu erheblichen Schäden in der Feld- und Forstwirtschaft geführt hatten. Ernteausfälle und anhaltende Waldbrände führten in Deutschland und auch in Luxemburg zu erheblichen Verlusten. Im Großherzogtum sind vor allem die an den Südhängen liegenden Wälder betroffen. Hier erhöhen Dürre und Trockenheit nicht nur die Waldbrandgefahr, sondern zeichnen auch für einen verstärkten Schädlingsbefall verantwortlich. Untersuchungen zufolge sind 36,8 Prozent des Waldes leicht, ein weiteres Drittel jedoch stark beschädigt. Auf einem Treffen des „Lëtzebuerger Privatbësch“, der Vereinigung der privaten Waldbesitzer, sagte die grüne Umweltministerin Carole Dieschbourg umfangreiche Hilfe der Regierung zu.
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