Der Videokonferenz-Dienst Zoom will sich nach dem explosiven Wachstum in der Corona-Krise fester im Leben seiner Nutzer verankern. Dazu gehört der Plan, in mehr Unternehmen auch die Telefon-Anlagen zu übernehmen, wie Gründer und Chef Eric Yuan nach Vorlage aktueller Quartalszahlen sagte. Zoom verzeichnete zuletzt einen Sprung bei Umsatz und Gewinn – und verdoppelte auch seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr.
Zoom war eigentlich für Unternehmen gedacht. In der Corona-Krise stieg aber nicht nur der Einsatz im Home-Office, sondern auch die Nutzung durch Privatleute, und das mitunter für Bildung und sogar Sportkurse. Im April gab es täglich bis zu 300 Millionen Teilnahmen an Videokonferenzen aus den verschiedensten Lebensbereichen – im Vergleich zu zehn Millionen noch im Dezember. Im Mai ging die Zahl wieder etwas zurück, räumte Finanzchefin Kelly Steckelberg ein. Es sei noch unklar, wie sich die Nutzerzahlen mit der Lockerung der Corona-Einschränkungen langfristig entwickeln werden. Zoom rechne aber damit, dass das Wachstum auf lange Sicht weitergehen werde, betonte sie.
Den Corona-Boom will Zoom als Brückenkopf für künftiges Wachstum nutzen. Videokonferenzen und gewöhnliche Telefonie könnten im Grunde mit ein und demselben Produkt abgedeckt werden, gab Yuan zu bedenken. Deswegen sehe Zoom hier große Chancen auf neues Geschäft in einer modernen Welt – auch wenn es um die private Nutzung geht. „Videokonferenzen werden zu einem Verbrauchergeschäft“, betonte Yuan. Er sieht hier Chancen, mit den Videochat-Angeboten der großen Tech-Konzerne Apple, Google, Facebook und Microsoft mithalten zu können, die von der Corona-Krise allesamt nicht so stark profitieren konnten wie Zoom, aber ihre Dienste verbesserten.
Sicherheitslücken
Dem Aufsteiger Zoom machten in den vergangenen Monaten jedoch auch Negativ-Schlagzeilen zu schaffen – die erhöhte Aufmerksamkeit durch Experten förderte Sicherheitslücken zu Tage. Zoom habe die Konsequenzen der breiteren Nutzung durch Verbraucher außerhalb gesicherter Unternehmens-Infrastruktur in der Corona-Krise zunächst nicht voll durchdacht, räumte Yuan ein. Wenn man sich künftig zwischen mehr Sicherheit oder mehr Bequemlichkeit für die Nutzer entscheiden müsse, werde die Sicherheit Vorrang bekommen, versicherte er.
Komplett-Verschlüsselung, bei der grundsätzlich nur die Teilnehmer Zugang zu Inhalten haben, sollen unterdessen nur Unternehmenskunden vorbehalten bleiben, bekräftigte Yuan. „Gratis-Nutzern wollen wir das ganz bestimmt nicht geben, weil wir etwa mit dem FBI und örtlichen Polizeibehörden zusammenarbeiten wollen, wenn Leute Zoom für schlechte Zwecke missbrauchen“, sagte er in einer Videokonferenz mit Analysten. Tech-Konzerne, die zum Datenschutz die sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einsetzen – etwa Apple oder Facebook beim Chatdienst WhatsApp –, werden regelmäßig von Behörden kritisiert, mit dem Vorwurf, dies behindere die Aufklärung von Straftaten.
Im Ende April abgeschlossenen ersten Geschäftsquartal stieg der Umsatz im Jahresvergleich von 122 auf 328 Millionen Dollar, wie die Firma nach US-Börsenschluss am Dienstag mitteilte. Unterm Strich blieben rund 27 Millionen Dollar Gewinn übrig – nach nur rund 200.000 Dollar ein Jahr zuvor. Die Anleger, die den Zoom-Kurs seit Jahresbeginn von rund 69 auf 208 Dollar ansteigen ließen, reagierten auf die Zahlen verhalten. Im vorbörslichen Handel am Mittwoch notierte die Aktie kaum verändert.
Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Dollar
Als sich vor drei Monaten der Rückenwind für Zoom durch die Corona-Einschränkungen abzeichnete, hatte die Finanzchefin gewarnt, es sei offen, ob die Firma von dem Zustrom der neuen Nutzer auch dauerhaft finanziell profitieren könne. Schließlich bringt die sprunghaft gestiegene Nutzung auch höhere Kosten für die Infrastruktur mit sich. Und Zoom hatte in der Krise viele Einschränkungen der Gratis-Version aufgehoben.
Doch die gute Nachricht für Zoom ist, dass mit dem Anstieg der Nutzung durch Verbraucher auch das Kerngeschäft mit Unternehmen gewachsen ist. Zoom hat jetzt über 265.000 Firmenkunden mit mehr als zehn Mitarbeitern – viermal mehr als vor einem Jahr. Und 769 von ihnen – doppelt so viele wie ein Jahr zuvor – geben mehr als 100.000 Dollar pro Jahr für Zoom-Dienste aus. Der Jahresumsatz wird nach der neuen Prognose mit bis zu 1,8 Milliarden Dollar (rund 1,6 Mrd. Euro) rund dreimal höher sein als im vergangenen Geschäftsjahr. (dpa)
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