Mit Songs wie „Shout“ oder „Everybody wants to rule the world“, waren Tears For Fears stilprägend für den Sound der achtziger Jahre. Zusammen mit Bands wie Simple Minds, Soft Cell oder Depeche Mode. Doch die Band Tears For Fears, bestehend aus den beiden Musikern Roland Orzabal und Curt Smith, kreierten und kreieren, wie sie auf ihrem aktuellen Album „The Tipping Point“ beweisen, keinen reinen Achtzigerjahre-Synth-Pop oder New-Wave-Sound, sondern zeitlose Meisterwerke der Pop-Musik.
Orzabal und Smith haben heute beide das Alter von sechzig Jahren erreicht – vielleicht genau die richtige Zeit, um über den Dingen zu stehen und ein Album von dieser Größe zu erstellen. Begonnen haben die langjährigen Freunde aus Jugendtagen mit ihrer Zweierformation Tears For Fears 1981 in Bath, im Südwesten Englands. 1983 erschien ihr erstes Album „The Hurting“; mit „Mad world“ hatten die beiden bereits ihren ersten Hit, mit dem sie fünf Wochen in den UK-Top-10-Single-Charts vertreten waren. Zwei Jahre später veröffentlichten sie „Seeds of Love“, ein weiteres Album, mit dem sie die Charts erreichten und die Tanzflächen der achtziger Jahre füllten.
Im dritten Werk modifizierten Tears For Fears ihren Sound. „The Seeds of Love“, entstanden im Jahr 1989, war nicht so eingängig wie die vorigen Alben, dafür deutlich anspruchsvoller. Eine besondere Rolle spielte hier, als Gastmusikerin, die bis dahin gänzlich unbekannte Oletta Adams. Ergänzen sich Roland Orzabal und Curt Smith mit ihren beiden Gesangsstimmen über die Jahre in einer wunderbaren Harmonie, so kommt Oletta Adams mit ihrer kraftvollen Soulstimme, die ihren Ursprung in der Gospelmusik hat, in beeindruckender Weise hinzu. „Women in chains“ ist ein für mich heute noch beeindruckender Titel, gesungen von Orzabal und Adams, bei dem sich schon bei dem Gedanken an dieses einzigartige Stück eine leichte Gänsehaut bildet.
Eine Gänsehaut schenkt einem auch das neue Album des altbekannten Duos. Nach fast 18 Jahren musikalischer Pause entstand mit „The Tipping Point“ ein neues Meisterwerk. Wieder hat das Album eine neue Couleur. Die Reife von sechzig Jahren gelebten Lebens, mit Höhen und Tiefen, aber auch dem Vertrauen auf die eigene Kraft, zeichnet das neue Album aus. Für dieses Werk trennten sich die beiden Musiker von ihrem früheren Management. Entstanden sind zehn Stücke mit Nostalgie-Faktor, wenngleich das Album genauso offen ist für neue, vielleicht deutliche jüngere Zuhörer, für die die Discokugel der achtziger Jahre ein Stück Geschichte ist.
Die Synth-Pop-Klänge finden eine wunderbare Bereicherung durch Akustikgitarre oder Trompete, mit Soul-Elementen oder Beatles-Anleihen als Bonus. Zunächst startet das Album mit „No small things“ mit Akustikgitarre, um dann langsam und gemächlich in den bekannten Tears-For-Fears-Sound überzugehen und uns mit jedem weiteren Stück auf eine überirdische Reise mitzunehmen. In „The Tipping Point“ verarbeitet Roland Orzabals das Leid und den Tod seiner 2017 verstorbenen Frau Caroline. Das Stück enthält mit den Zeilen „Life is cruel, life is tough“ eine Wahrheit, die schon einige von uns gemacht haben dürften. „Please be happy“ erklingt dagegen als Ballade, die einen mit Piano und Streichern und einer schmelzenden Trompete mitschweben lässt, um dann nahezu nahtlos in „Master Plan“ überzugehen. Ganz anders „End of Night“, ein Ohrwurm, der die Füße in Bewegung versetzt … da braucht es nicht viel, und aus der Erinnerung blitzt die gute alte Discokugel wieder auf.
Geschichtsträchtig ist auch das Format: Neben der zwei Vinylvarianten, in Schwarz und in Rosa, gibt es auch noch – aufgepasst – die Variante Musikkassette! Das ist vielleicht eine Option für diejenigen, die in ihrem (eher etwas älteren) Fahrzeug noch ein Autoradio mit Kassettenteil besitzen. (Ich muss zugeben, bei mir steht noch so ein derartiges Modell in der Garage und freut sich mit mir auf den Frühling.)
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