Die rauchig-sanfte Stimme, der weiche, fließende Sound, die Slide-Gitarre – ohne ChrisRea kommt der Popradiohörer nicht durch den Tag. Mit «Driving Home For Christmas» schrieb der britische Musiker wohl einen der gleichzeitig meist geliebten und meist gehassten Songs der Popgeschichte. Auch «Josephine», «Julia», und «On The Beach» dürfte jeder – gewollt oder nicht – mitsummen können. Weniger bekannt ist: Hinter dem Mainstream-Popsound steht ein hervorragender Blues-Gitarrist. Am Freitag (4. März) feiert Rea seinen 60. Geburtstag.
Es grenzt an ein Wunder, dass der Musiker seinen Jubeltag erleben kann. Im Frühjahr 2000 diagnostizieren Ärzte bei Rea Krebs. Überlebenschancen gering, hieß es. Rund 16 Stunden lang wurden ihm die Bauchspeicheldrüse und Teile des Magens entfernt. Monate musste er im Krankenhaus bleiben, konnte nicht Gitarre spielen: «Und dabei ist Gitarre spielen genau das, was ich sonst mache, wenn etwas nicht gut läuft», sagte er später in einem Interview.
Spätzünder
Seine Leidenschaft für die sechs Saiten entdeckte der Brite allerdings erst spät. Mit knapp 20 Jahren hielt der Sohn eines italienischen Eisverkäufers und einer irischen Einwanderin seine erste Gitarre in der Hand. «Keine Sorge, die kaufe ich nur so zum Spaß», habe er zu seiner Freundin und späteren Frau damals gesagt, erzählte er später. Der Spaß wurde zum prägenden Lebensinhalt: Nach ersten Erfolgen in den 1970ern schrieb Rea in den späten 80er und frühen 90er Jahren zahlreiche Hits. Die Bilanz: mehr als 30 Millionen verkaufte Alben.
Rea ist der introvertierte Popstar von nebenan. In seinen Liedern erzählt er von alltäglichen Dingen. Vom berüchtigten Stau auf der Londoner Ringautobahn M25 in «Road To Hell» beispielsweise. Auch in «Driving Home For Christmas» geht es um Stau – auf dem Weg in die Weihnachtsferien. Zwei seiner bekanntesten Songs hat der bekennende Familienmensch seinen Töchtern gewidmet: «I’ll send you all my love», verspricht er 1985 seiner Tochter Josephine. Und Tochter Julia fragt er 1993: «Which way will you go? I wanna know.»
Mensch
Die Schmähkritik, er sei ein Kuschelrocker, kontert Rea damit, dass er sich sowieso nicht als Rockstar verstehe. «Rockstars haben ein schwieriges Leben, weil es eine Show ist. Sie müssen immer Angst um ihr Image haben. Mir ist das egal. Ich bin ich.» Das zeigt der introvertierte Musiker auch bei seinen Konzerten, bei denen er ohne viel Gerede und Show vor allem eins macht: Musik.
Seit seiner Krankheit müsse er dutzende Tabletten nehmen und sich mehrmals am Tag Insulin spritzen, erzählte Rea vor zwei Jahren. «Das macht es schwer, als Musiker zu arbeiten.» Die Krankheit hat ihn nachdenklicher gemacht. Er wolle keine Schmuselieder mehr schreiben, erklärte er. Er wolle sich wieder der großen Liebe widmen, die er am Anfang seiner Karriere gespürt habe: dem Blues.
Arbeit
Gegen allen ärztlichen Rat arbeitet Rea seither unermüdlich. «Ohne meine Gitarre bin ich nichts», sagt er. In den vergangenen zehn Jahren veröffentlichte er mehrere Alben, darunter «Blue Guitars»: eine Sammlung von nicht weniger als elf CDs mit 137 Songs. Auch die Bühne zieht ihn weiter an. Nach seiner offiziellen Abschiedstour 2006 hielt er es nicht im Studio aus.
Im vergangenen Jahr war Rea auch in mehreren deutschen Städten zu Gast. Der Name der Tour: «Still So Far To Go» – «Immer noch so weit entfernt». Auch kurz vor seinem 60. Geburtstag scheint der Musiker weit entfernt von einem Abschied. Ihm gehe es prächtig, heißt es aus seinem Umfeld. Und er arbeite eifrig an einem neuen Projekt.
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